Gelsenkirchener Solarstadt-Stele bekommt neuen Standort
von Siegfried Krakauer
Schon gesehen – oder doch eher: Nicht mehr gesehen? Die Solarstadt-Stele in unmittelbarer Nähe des Wissenschaftsparks auf der Kreuzung Junkerweg/Bochumer Straße ist weg. Doch sie ist nicht einfach weg, sondern museumsreif geworden. Ihr neuer Standort ist das Industriemuseum in der Zinkfabrik Altenberg in Oberhausen. Dort wird sie von Oktober 2017 bis Oktober 2018 Teil der Ausstellung „Energiewenden – Wendezeiten“.
Mit der vom Grafiker Uwe Gelesch gestalteten Plastik ist mehr verschwunden als nur eine schon ziemlich in die Jahre gekommene Stele. Es ist der sichtbare Ausdruck des gescheiterten Anspruchs, aus der Bergbaustadt eine Solarstadt zu machen. Als die Stele im Sommer 2004 als Zeichen für Fortschritt und Zukunftstechnologien auf Geheiß des damaligen Oberbürgermeisters Oliver Wittke (CDU) errichtet wurde, hatte sich die Sonne über der Solarstadt Gelsenkirchen schon eingetrübt. Ein Jahr zuvor hatte die FLABEG Solar International GmbH (FSI) Insolvenz angemeldet. Dabei hatte das Unternehmen noch Mitte 2002 eine zweite Fertigungslinie für Solarmodule in Betrieb genommen. „Die modernste Produktionsanlage Europas“, wie Geschäftsführer Joachim Benemann damals betonte. Das Land NRW und die Europäische Union beteiligten sich mit 40 Prozent an der 6,5 Millionen Euro teuren neuen FSI-Anlage.
Benemann gilt auch als geistiger Vater der energiepolitischen Ausrichtung des 1995 eröffneten Wissenschaftsparks in Ückendorf, dessen dachaufgeständerte Solaranlage vor zwanzig Jahren noch eine Besonderheit war. Überhaupt war die Euphorie im auch damals schon krisengeschüttelten Gelsenkirchen groß. Anfang der 2000er Jahre sprach der damalige NRW-Wirtschaftsminister Ernst Schwanhold (SPD) noch vom „Solar Valley Europas“, das in der ehemaligen Montanstadt entstehe.
Georg Oberkötter, 2003 Pressesprecher der Stadt, blaffte nach der Zukunft Gelsenkirchens als Solarstadt fragende Journalistinnen und Journalisten an: „Das Wohl und Wehe hängt doch nicht an der Produktion einer Firma“, und verwies auf Erfolge wie die damals erste Solarsiedlung im Ruhrgebiet. In der Lindenhofsiedlung werde erstmalig in NRW in einem großen Altbaubestand per Solarthermie Warmwasser gewonnen. Für die Zukunft der Stadt sähe er blau, ließ sich OB Wittke damals sogar zitieren: „Blau wie Schalke 04, blau wie das Yves-Klein-Relief als Markenzeichen des Musiktheaters im Revier und blaue Solarzellen.“
Die gibt es in Gelsenkirchen nach wie vor und sogar sehr viel mehr als vor dreizehn Jahren. Produziert werden sie allerdings schon lange nicht mehr in Gelsenkirchen, sondern vor allem in China. Und bei der städtischen Wirtschaftsförderung hat man sich längst davon verabschiedet, auf Zukunftsenergien als Zugpferd einer wirtschaftlichen Entwicklung in Gelsenkirchen zu setzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um die Kraft der Sonne, Windkraft oder Wärmepumpen geht. Auch der Versuch, das Spektrum zu öffnen und aus der Solarstadt eine Stadt der Zukunftsenergien zu machen, ging letztlich schief. Jüngstes Beispiel ist der schleichende Abschied der Firma Vaillant aus Gelsenkirchen, die ihre umwelt- und klimaschützenden Produkte schon bald nicht mehr in Erle fertigen wird. Zwar schreibt das Werk schwarze Zahlen, doch an anderen Standorten lassen sich, zum Teil subventioniert, eben noch größere Profite erzielen.
Ein Blick auf die künftige Entwicklung der Solarbranche zeigt eigentlich sonnige Zeiten, allerdings nicht in Deutschland. Während verschiedene Institute der Solarproduktion weltweit zweistellige Zuwachsraten prophezeien, müssen deutsche Unternehmen wie SolarWorld Insolvenz anmelden. Bei der Speicherung von Wind- oder Sonnenenergie hingegen, scheinen in Deutschland forschende und auch produzierende Unternehmen (noch) durchaus konkurrenzfähig zu sein.
Der Standort Gelsenkirchen spielt dabei allerdings kaum eine Rolle, obwohl es an der Westfälischen Hochschule in Buer Forschungsprojekte gibt, die sich mit der Erforschung von Brennstoffzellen und Energieeffizienz auseinandersetzen. Die städtische Wirtschaftsförderung hat sich von dem Wirtschaftszweig Zukunftsenergien hingegen verabschiedet. Wilhelm Schröder war hier lange Ansprechpartner, wenn es um Zukunftsenergien ging. Mit der Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung fiel dieser Bereich weg. Wilhelm Schröder wechselte zur EnergieAgentur.NRW und arbeitet dort im Netzwerk Photovoltaik.
War das solare Zwischenspiel für Gelsenkirchen also vergebens? Nein, der Weg von der Kohle zur Sonne hat in Gelsenkirchen seine unübersehbaren Spuren hinterlassen. Markant ist sicherlich das große Solarsegel an der Arena auf Schalke oder die riesige Solaranlage auf dem Erzbunker des ehemaligen Stahlwerks Schalker Verein, um nur zwei Beispiele zu nennen. Doch wichtiger als das offenkundig Sichtbare ist oftmals das, was an Projekten in der Stadt läuft. Das Energielabor Ruhr zum Beispiel ist ein wichtiger Teil der Stadterneuerung in Hassel, Westerholt und Bertlich. Energielabor heißt es deshalb, weil in den Bergarbeitersiedlungen rund um die ehemalige Zeche Westerholt und auf dem Zechenareal selbst moderne Heiz-Systeme sowie erneuerbare Energien genutzt werden sollen. Ähnliches kann auch in Rotthausen anlaufen. Was in der InnovationCity Modellstadt Bottrop umgesetzt wurde, das soll nun auch in Gelsenkirchen-Rotthausen starten. Weniger Kohlendioxid, mehr Wohn- und Lebensqualität – der klimagerechte Stadtumbau ist das Ziel des Innovation City roll out, der nun auch Rotthausen erreicht hat. Statt des großen Wurfs, wie es mit der Solarstadt gedacht war, ist hier eher der mühselige Weg vor Ort gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern angesagt. Einige der Akteurinnen und Akteure, die schon beim steckengebliebenen Weg Richtung Solarstadt dabei waren, bohren auch hier wieder dicke Bretter.
Die nun museal werdende Solarstadt-Stele sollte ursprünglich Teil einer künstlerischen Lichtplastik am „Kreisverkehr Vinckestraße B226/B224/A52“ werden. Der 2004 als Prototyp erstellten Stele sollten weitere folgen, die von Unternehmen und Organisationen etwa an ihren jeweiligen Firmenstandorten aufgestellt werden sollten. Dies sollte die Verbundenheit mit dem Solarstadt-Gedanken verdeutlichen. Es blieb bei dieser einen Stele, die in der Ausstellung „Energiewenden – Wendezeiten“ zu sehen sein wird. Anlass der Ausstellung ist das Ende des Steinkohlenbergbaus in Deutschland im Jahr 2018, wenn auch auf das letzte noch verbliebene Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop der Deckel kommt. Teile der zeitlich befristeten Ausstellung „Energiewenden – Wendezeiten“ sollen in eine Dauerausstellung einfließen, die die Rhein-Ruhr-Region als „Energielandschaft“ zeigt. Mit dem Versuch aus der „Stadt der tausend Feuer“ eine „Stadt der tausend Sonnen“ zu machen, war und ist Gelsenkirchen ein wichtiger Teil der „Energielandschaft“.
Mehr über die Ausstellung „Energiewenden – Wendezeiten“:
www.industriemuseum.lvr.de
Virtuell gibt es die Solarstadt noch:
www.solarstadt-gelsenkirchen.de