Von Alexander Welp
In der gesamten Opernlandschaft gibt es kaum eine Overtüre, welche mit dem musikalischen Beginn aus „Die Zauberflöte“ mitzuhalten vermag. Die zeitlose Eröffnung in Es-Dur zaubert selbst absoluten Nichtkennern zumeist ein Lächeln ins Gesicht. Verzaubern – das ist auch das Stichwort, wenn es um Mozarts letzte Oper geht, welche 1791 nur wenige Wochen vor seinem Tod uraufgeführt wurde. Seitdem erfreut sich die Märchenoper größter Beliebtheit und gehört zu den am meisten gespielten Stücken an den deutschsprachigen Opernhäusern. Mit diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Neuinszenierung von Ezio Toffolutti, welche bereits 2003 ihre Premiere am Aalto-Theater in Essen feierte, auch dieses Jahr zu einer Wiederaufnahme einlädt.
Ein klassischer Held ist Tamino nicht; muss er doch gleich zu Beginn von drei Damen vor einer Schlange beschützt werden, während er selbst in Ohnmacht fällt – Tollkühnheit geht anders! Trotzdem wird Tamino von der mystisch auftretenden Königin der Nacht auserkoren, ihre Tochter, Pamina, aus den Fängen des Fürsten Sarastro zu befreien. Begleitet wird er bei diesem Abenteuer vom skurrilen Vogelfänger Papageno, der sich, genau wie Tamino, nach Liebe verzehrt. Ausgestattet mit ihren Zauberinstrumenten begibt sich das ungleiche Duo auf eine bunte Reise voller Gefahren und Prüfungen, gespickt mit Rätseln, Eifersucht und Freimaurerweisheit – am Ende findet sich hoffentlich das lang ersehnte Glück!
Mozart in ungekürzter Schönheit
Zu Beginn jedoch eine schlechte Nachricht für das Publikum: Durch eine Erkrankung kann Hauptdarsteller Dmitry Ivanchey an diesem Abend nicht auftreten. Der Qualität der Vorstellung schadet dies jedoch nicht, denn kurzerhand übernimmt Woongyi Lee den Part des Tamino, und das mit Bravour. Mit erquickender Leichtigkeit mimt der Tenor die Rolle des tollpatschigen Helden im Nachtmantel stimmlich zu jeder Zeit vollkommen makellos. Sein Compagnon Papageno, gespielt von Martijn Cornet, steht ihm dabei in nichts nach. Der Bariton aus den Niederlanden besticht durch frische Spielfreude und großartige Bühnenpräsenz. Generell – Toffoluttis Entscheidung, die Märchenoper in ihrer ungekürzten Version auf die Bühne zu bringen, erweist sich als goldrichtig. Die Dauer von drei Stunden und 15 Minuten mag auf den ersten Blick abschreckend wirken, doch selbst die längeren Erzählpassagen werden von allen Darstellern*innen interessant und lebendig präsentiert – von Langatmigkeit keine Spur! Als gesangliche Highlights des Abends entpuppen sich die beiden Arien der Nachtkönigin. Emma Posman beweist in den Höhen ihre gesamte stimmliche Bandbreite, hofiert von starkem Szenenapplaus. Allein die Stimmen der drei Knaben, engelsgleich ohne Frage, gehen in der temperamentvollen Leitung von Kapellmeister Johannes Witt unter.
Es hätte ein grandioser Abend sein können, denn künstlerisch bewegt sich „Die Zauberflöte” in Essen in schwindelerregender Höhe. Doch wo viel Licht ist, dort ist auch etwas Schatten; in diesem Fall wortwörtlich. In vielen Passagen ist die Bühne des Opernhauses leider sehr schlecht ausgeleuchtet. Die Mitglieder des Chors und auch Solisten werden oftmals ungenügend erhellt. So bleibt der mimische Ausdruck häufig auf der Strecke, und das trotz Einsatz von Verfolgern. Auch das Bühnenbild erweist sich kontinuierlich als Hindernis. Die großen hölzernen Elemente, welche zweifelsohne schön anzusehen sind, versperren dem Zuschauer immer wieder die Sicht auf die Bühne, zumindest vom linken Parkett aus. So lässt sich während einer Szene Taminos Einsatz der Zauberflöte nur erahnen – Schade!
Der Dank des Publikums fällt trotzdem mehr als überschwänglich aus. Unter stehenden Ovationen wurde das gesamte Ensemble zum Schluss mehrere Minuten lang lautstark belohnt.
Weitere Vorstellungen:
15. Dezember 2019, 16:30 Uhr
29. Dezember 2019, 16:30 Uhr
Aalto Musiktheater Essen
Opernplatz 10, 45128 Essen
11 – 49 €
www.theater-essen.de
Der Vogelfänger als Möchtegern-Macho (Martijn Cornet als Papageno)
Durch Liebe vereint! (Dmitry Ivanchey als Tamino, Maartje Rammeloo als Pamina)