Die Kommerzialisierung im Fußball kennt kaum noch Grenzen, auch bei Schalke 04, das sich gerne bodenständig gibt und die besondere Nähe zu den Fans betont. Hier wurden vor einiger Zeit die Bierpreise auf das Niveau des Oktoberfestes angehoben. Besonders ärgerlich war der Versuch der sportlichen Leitung, die Tageskarten für Stehplätze in der Nordkurve in sogenannte Saisonkarten umzuwandeln. Wer sich die Karte für ein Spiel kaufen wollte, der sollte gleich für alle 17 Heimspiele insgesamt 263,50 Euro zahlen. Die Tageskarte kostet aktuell immer noch 15,50 Euro. Was der Verein als „gute Nachricht für alle Fans“ verkündet hat, wurde nach heftigen Protesten innerhalb eines Tages wieder eingestampft.
Die Sportberichterstattung wird immer mehr Teil des Geschäfts, und das journalistische Handwerk wird nebensächlicher, kritische Beiträge gibt es kaum noch, und in vielen Blogs von Fans im Netz finden sich fundiertere Inhalte. Im Ruhrgebiet verhindert die Monopolstellung der WAZ eine entsprechende Berichterstattung.
Über Schalke und Fußball zu schreiben, ist ein schwieriges Geschäft. Das gilt dann besonders, wenn es in einem monatlich erscheinenden Magazin geschieht. Fußball ist schnelllebig, und aus den gerade noch gescholtenen Grobmotorikern, werden eine Woche später die Helden des Spieltages. Dabei lebt die Schalker Mannschaft von der scheinbaren Vergesslichkeit der Zuschauer.
Im Gegensatz zu dem beliebten Spruch, dass man die verlorenen Punkte am nächsten Spieltag zurückholen wird, stehen der gesunde Menschenverstand und die Mathematik. Verlorene Punkte sind für immer weg und lassen sich nicht wieder hervorholen. Verlorene Spiele im internationalen Wettbewerb bleiben verloren, und wer ausscheidet, kann nichts mehr gut machen. Attraktive Spielweise und sportliche Erfolge funktionieren nur nachhaltig und über einen langen Zeitraum.
Spieler mit entsprechender Qualität wechseln den Verein nicht allein wegen der besseren Bezahlung, sondern auch weil woanders moderner Fußball gespielt wird und man mehr gewinnen kann, als den berühmten Blumentopf oder einen zweitklassigen Pokalwettbewerb. In der aktuellen Mannschaft von Schalke 04 hat nur Ralf Fährmann regelmäßig bewiesen, dass er überdurchschnittliche Qualitäten besitzt. Der Rest spielt nicht konstant, überzeugt nur im Spiel gegen schwache Gegner oder kommt über die Rolle des Mitläufers nicht hinaus. Bei allen Neuzugängen unter der neuen Führung von Manager Christian Heidel und Trainer Hubert Weinzierl fehlt der nachhaltige Beweis, dass sie eine Verstärkung darstellen und die Entwicklung der Mannschaft voranbringen.
Die Journalisten aus der Abteilung Fußball stellen nach den wiederholten Enttäuschungen durch die Mannschaft die entscheidenden Fragen nicht, oder sie fallen ihnen nicht ein. Wie kann es sein, dass der Kapitän Benedikt Höwedes sich nach dem Offenbarungseid gegen Ajax Amsterdam überrascht zur Stärke des Gegners äußert? Und das, obwohl der Schalker Trainer in den Interviews und der Pressekonferenz vor dem Spiel genau diese Spielweise beschrieben hat? Die Frage der Sportjournalisten muss also lauten: Wie können der Kapitän und die Mannschaft überrascht sein, wenn der Trainer genau diese Qualität des Gegners vorher ausführlich beschreibt? Die Erklärungen dafür sind leider beunruhigend, denn entweder will die Mannschaft die Anweisungen nicht befolgen oder – noch viel schlimmer – sie kann es nicht.
Der Torwart Ralf Fährmann gehört zu den Besten in der Bundesliga, und er hat vielleicht nur eine einzige Schwäche: das genaue Anspiel seiner Mitspieler mit einem langen Ball. Das sollten die Kollegen wissen, aber dennoch ist es regelmäßig ihre einzige Lösung gegen einen hochstehenden und intensives Pressing spielenden Gegner.
Die technischen Schwächen der einzelnen Spieler und das fehlende Tempo im Spiel sind erschreckend. Das geht inzwischen soweit, dass Profifußballer nicht in der Lage sind, einen Einwurf regelgerecht auszuführen oder in der Schlussphase eines entscheidenden Spiels eine Ecke mehrfach kläglich hereinbringen.
Seit vielen Jahren mangelt es der Mannschaft an Tempo im Spiel, und auch gedanklich hinkt sie dem Gegner oft hinterher. Die technischen Unsicherheiten nehmen weiter zu, wenn das Spiel schnell wird, und unter Bedrängnis häufen sich die Abspielfehler. Der Gegner kommt immer besser ins Spiel, und die Schalker Unsicherheit nimmt zu – die Abspielfehler natürlich auch. Schalke ist ein Opfer der eigenen Schwächen und selbst das gut geölte Marketing kann das nicht länger verbergen. Auch die technisch guten Spieler wie Max Meyer, Leon Goretzka oder Nabil Bentaleb machen unter Druck erschreckende Abspielfehler. Man ist nicht in der Lage, das gegnerische Pressing zu überwinden und die Räume für die eigene Offensive zu nutzen. Die Mannschaft ist ihrer Zusammensetzung zu langsam und moderner Fußball ist ihr fremd. Zum wiederholten Mal scheint ein Trainer an den „Untrainierbaren“ in Blau und Weiß zu scheitern. Nur weil sich die Vereinsführung Beständigkeit verordnet hat, kann er wohl in der neuen Saison sein Glück weiter versuchen. Von dem zum Beginn dieser Saison angekündigten laufintensiven Spiel, intensiven Pressing und schnellen Umschalten ist die Truppe derzeit Lichtjahre entfernt. Die Bewährungszeit des Trainers beginnt mit dem ersten Spieltag, und die aktuelle Übergangssaison wird nicht die letzte – die nächste beginnt nach der Sommerpause.
Sie kamen – sie gingen
Die Auflistung aktiver Spieler oder Trainer, die mal für
Schalke gespielt haben, dürfte so manchem Fan die
Tränen in die Augen treiben. Viele von ihnen spielen in
erfolgreichen Mannschaften eine wichtige Rolle.
Manuel Neuer – Bayern München
Ivan Rakitic – Real Madrid
Julian Draxler – Paris St. Germain
Leroy Sane – Manchester City
Jefferson Farfan – Lokomotive Moskau
Mesut Özil – Arsenal London
Kyriakos Papadopoulos – HSV
Rafinha – Bayern München
Sead Kolasinac – Premiere League?
Christian Fuchs – Leicester
Joel Matip – FC Liverpool
Raffael – Borussia Mönchengladbach
Sergio Escudero – FC Sevilla
Manuel Jurado – Espanyol Barcelona
Alexander Baumjohann – Hertha BSC
Ralf Rangnick – RB Leipzig
Ich bin Journalist, und das nun schon ziemlich lange – außerdem bin ich Fan von Schalke 04, und das noch viel länger. Über Fußball wollte ich eigentlich nie schreiben, denn das ist Hobby, Freizeit und Privatvergnügen. Das ist nun vorbei, und es werden an dieser Stelle in Zukunft wohl weitere Texte folgen. Die Gründe dafür sind schon länger vorhanden, aber es hat sich in letzter Zeit einiges zugespitzt und zugetragen. Außerdem ist der weniger verrückte Teil der Familie es leid, mein Gemecker in der Kurve und vor dem Fernseher zu ertragen. Meine Kommentare gibt es also demnächst regelmäßig an dieser Stelle, und dem Familienfrieden steht dann nichts mehr im Weg.