Eine kleine Geschichte über Pferde, viel Geld, Investoren und leere Versprechen

Im letzten Jahr hat die Diskussion um die Zukunft des Reitvereins ETuS Gelsenkirchen 1996 für große Aufregung gesorgt. Vor allem die Wirtschaftsförderung und die Verwaltung standen dabei in der Kritik. Ein Interview mit Monika Patryas vom Reitverein.

Michael Voregger: Was wird aus dem Reitverein an der Dessauer Straße?

Monika Patryas: Wie ist der aktuelle Stand? Ja, also im März haben wir uns gesehen, und danach war es noch mal richtig aufregend, würde ich sagen. Es hieß auf einmal kurzfristig, dass ein Verkauf des Geländes geplant ist. Es gab ein Bieterverfahren, und das Mindestgebot war 700.000 Euro. Da haben wir uns auch beteiligt und haben gedacht, das kriegen wir hin. Wir möchten das Grundstück unbedingt weiter nutzen. Im Mai gab es dann die schriftliche Absage, da wir nicht die Höchstbietenden waren. Auf soziale Aspekte wurde nicht eingegangen, sondern es zählte nur das Geld. Auf Nachfrage ist uns nur gesagt worden, das wird jetzt ein bisschen dauern, bis der neue Besitzer bekannt wird. Seitdem tut sich wenig bis gar nichts – also still ruht der See. Niemand spricht mit uns oder äußert sich.

Es gibt aber noch einen aktuellen Mietvertrag, oder muss sich der Verein aktuell Sorgen machen?

Im Moment machen wir uns gar keine Sorgen. Wir sind normale Mieter beim Bundeseisenbahnvermögen, und der neue Käufer müsste diesen Pachtvertrag übernehmen. Der Verkauf bricht das Mietverhältnis nicht. Sobald der neue Besitzer bekannt ist oder feststeht, wird es halt noch mal spannend, wie es weitergeht.

Das Grundstück ist größer als das, was der Verein bisher nutzt. Was passiert mit dem jetzt verlassenen Fußballplatz der SG-Eintracht?

Wir haben natürlich sehr, sehr großes Interesse, das Grundstück zu nutzen. Es liegt jetzt seit einem Jahr brach. Man sieht auch schon, wenn man sich das ein bisschen anguckt, die Natur holt sich das wieder. Es ist schon jetzt sehr grün, zugewachsen, und wir würden das natürlich ökologisch weiter aufwerten. Also Mutterboden anfahren, ein bisschen Weideland für unsere Pferde anlegen und einen größeren Reitplatz für uns. Dass wir die Möglichkeiten ausschöpfen können in Gelsenkirchen, denn wir haben eine Warteliste von über 100 Kindern, und die möchten gerne reiten. Nur auf dem kleinen Gelände, das wir jetzt haben, sind wir voll ausgelastet. Wir könnten einiges draus machen, und unser Konzept ist gut durchdacht. Wir können es finanzieren und möchten es unbedingt weiter nutzen, auch für die Anwohner und vor allem für die Kinder und Jugendlichen. Die Menschen im Stadtteil wünschen sich ein bisschen Grün in ihrem Umfeld und wollen kein Gewerbe vor der Nase stehen haben.

Der Verein beteiligt sich auch an Wettkämpfen. Es geht also nicht allein um die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen?

Ja, da sind wir stolz drauf. Wir sind der amtierende Stadtmeister im Springen als Mannschaftssport – also vier Pferde und vier Reiter. Es werden mehrere Qualifikations-Prüfungen im Jahr geritten, und wir sind 2019 Meister geworden. Es gab eine Pause von zwei Jahren, und jetzt gibt es die Meisterschaft wieder. Wir konnten den Titel erfolgreich verteidigen. Da sind wir unglaublich stolz, dass unsere Mädels das erreicht haben.

Was muss aus der Sicht des Reitvereins in der Stadt passieren,
damit das bisherige Angebot gesichert und vielleicht auch ausgebaut werden kann?

Wir wünschen uns nach wie vor, dass da einfach ein bisschen mehr Unterstützung kommt. Also, das sind immer nur schöne und meist leere Worte. Es wird immer gesagt: Ja, ihr leistet großartige Arbeit, es ist wunderbar, was ihr da macht, Kinder und Jugendliche von der Straße holen und ein sicheres Umfeld geben. Aber wirklich mit Taten überzeugen die Verantwortlichen in der Stadt nicht. Im Gegenteil, die haben ja bis heute in den letzten drei Jahren nur dagegen geschossen. Das erwarte ich nicht von der Stadt Gelsenkirchen oder von der Verwaltung, sondern dass sich ernsthaft einer mal mit der Problematik auseinandersetzt. Und nicht nur sagt, da haben wir nichts mit zu tun, das ist eine private Angelegenheit. Wir sind nicht privat. Wir sind hier ein gemeinnütziger Verein, und da erwarte ich schon deutlich mehr Unterstützung als leere Worte.

Es ist seit April ein bisschen Zeit vergangen. Wenn wir in die Zukunft schauen, was sind die Erwartungen?

Meine Hoffnung ist, dass festgestellt wird, dass es kein Gewerbegebiet ist, sondern ein Siedlungsbereich für die Anwohner, wo Sport- und Freizeitflächen erhalten werden sollen. Das wir mit dem Bundeseisenbahnvermögen noch einen Kompromiss schließen können, die Fläche sportlich für unsere Pferde zu nutzen, und dass hier kein Gewerbe entsteht. Wir wären jederzeit bereit, das Grundstück zu pachten, zu mieten, zu kaufen. Nur es muss uns die Möglichkeit gegeben werden.

www.rv-etus-ge.de

INFO

Das Gelände des Reitvereins ETuS Gelsenkirchen 1996 liegt versteckt zwischen Netto und Frischemarkt an der Dessauerstraße in Ückendorf. Hier war auch der Fußballverein SG Eintracht Gelsenkirchen lange zu Hause. Zu Beginn des Jahres 2022 rückte das gesamte Gelände verstärkt in das öffentliche Interesse. Die Fußballer wurden von der Verwaltung überzeugt, in das Südstadion umzuziehen. Es wurde angekündigt, dass dieser Platz saniert wird. Trotz mehrerer Treffen und vieler Versprechen ist dort bisher nichts passiert. Verwaltung und Wirtschaftsförderung wollten das Gelände an der Dessauer Straße für eine gewerbliche Nutzung vorbereiten. Einziger Interessent war zu diesem Zeitpunkt der Geschäftsführer der Halal-Schnellrestaurant-Kette „Mr. Chicken“ Erhan Baz. Eine entsprechende Bauvoranfrage für eine gewerbliche Nutzung wurde positiv beantwortet.

Das Bundeseisenbahnvermögen ist Eigentümer der Fläche und hat das Grundstück im April 2022 in einem Bieterverfahren zum Verkauf angeboten. Die Verhandlungsbasis für die knapp 18.000 Quadratmeter große Fläche war ein Betrag von knapp 700.000 Euro. Die Fußballer haben mit ihrem Umzug in das neue Stadion ihr Vorkaufsrecht verloren. Ein Gebot des Reitvereins war zu niedrig, aber auch Erhan Baz hat den Zuschlag nicht bekommen. Inzwischen ist klar, dass ein weiterer Interessent mindestens 1,4 Millionen Euro geboten hat. Wer das ist und was er auf dem Gelände plant, ist bisher nicht bekannt. Eine Übertragung auf den neuen Eigentümer ist bisher nicht erfolgt.

Das Grundstück ist erheblich mit Schadstoffen belastet, weil hier vor vielen Jahren eine Kohlendestillationsanlage betrieben wurde. Das schließt eine Bebauung mit Wohnungen oder Eigenheimen aus. Eine nachhaltige Sicherung der vorhandenen Altlasten liegt in der Verantwortung des künftigen Eigentümers. Für die aktuelle Nutzung durch den Reitverein ist die Belastung kein Problem. Einen verbindlichen Bebauungsplan gibt es für die gesamte Fläche bisher nicht. Das Bebauungsplanverfahren kann erst fortgesetzt werden, wenn die Veränderungssperre der Verwaltung im Februar 2023 ausläuft.

 

Monika Partyas (links): „Wir haben natürlich sehr, sehr großes Interesse, das Grundstück zu nutzen.”

Fotos: Ralf Nattermann

100 Kinder, die gerne reiten möchten, stehen auf der Warteliste des ETuS Gelsenkirchen.

Würde dem Reitverein viele neue Möglichkeiten geben: das direkt benachbarte ehemalige Gelände des Fußballverein SG Eintracht Gelsenkirchen.

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