Kunst trifft Inklusion

..im Artelier in Bulkme

Das kleine Atelier von Hannah Grobe und Andrea-Ursula Müller hat den Charme alter 50er-Jahre-Läden. Wie es viele gibt in Gelsenkirchen. Den meisten jedoch ist das traurige Joch der Dauerschließung auferlegt, nicht so dem in der Bulmker Straße 49.

„Wir haben gute Konditionen und genug Freiheiten, die Räume nach unseren Wünschen zu gestalten“, erzählen die beiden Künstlerinnen, die sich mit dem eigenen Atelier den Wunsch nach Unabhängigkeit erfüllt haben. Genannt haben sie ihr Projekt „ARTelier“, und die helle, lichtdurchflutete Werkstatt mit dem großen Tisch macht Lust auf´s Selbermachen.

Das Frauen-Duo, das nicht nur in der Liebe zur Kunst und Malerei eine Schnittstelle hat, lernte sich im Studium für Malerei und Grafik in Bochum kennen. Abgeschlossen haben mittlerweile beide und erarbeiten sich nun ihren Platz in der Gelsenkirchener Künstlerinnen-Szene. „So wahnsinnig vernetzt sind wir hier noch gar nicht“, erzählt Hannah Grobe (22), die selbst in Bulmke großgeworden ist. Sie hat neben ihrem Kunststudium auch ihr Heilpädagogikstudium abgeschlossen und freut sich, künftig die großen Leidenschaften ihres Lebens – Kunst und Inklusion – miteinander zu verbinden. Der Wunsch, mit Menschen mit Behinderung zusammenzuarbeiten, wurde ihr quasi in die Wiege gelegt. Mit ihrem Vater, einem Heilerziehungspfleger, hat sie sich schon früh qualifiziert, ehrenamtlich Rehasport für die Zielgruppe anzubieten. „Ich habe schon ganz früh Kontakt zu Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen gehabt“, erzählt die junge Frau, der die besondere Bedeutung des künstlerischen Tuns für Menschen mit körperlicher oder geistiger Einschränkung bewusst ist. Die Liebe zur Kunst kam bei Hannah Grobe schon ganz früh. „Ich habe alles bemalt, was ich in die Finger bekommen habe. Ich liebe es, Bilder oder Skulpturen entstehen und wachsen zu sehen.“

Work in Progress ist ihr Motto, eine strikte Bindung an einen Stil nicht ihr Ding. Ihre Werke strahlen die große Experimentierfreude einer Person aus, die sich bewusst dem Vergleich verweigert. „Die Arbeit an einem Bild kann über Wochen oder Monate dauern. Ich brauche manchmal den Abstand zu einem Werk, um anschließend wieder richtig inspiriert zu sein und dem Bild mit neuen Ideen gerecht zu werden“, beschreibt die Kunsttherapeutin ihr eigenes künstlerisches Schaffen. Ihre Mittel, ihre Werkzeuge, ihre Sujets sind so bunt gewürfelt, wie die Freude am Entstehungsprozess groß ist. Dass sie diese Freude in ihrer inklusiven Arbeit weitergeben kann, ist ihr ein großes Bedürfnis. Wenn sie über die in ihrem Atelier entstandenen Arbeiten von Menschen mit Behinderung spricht, zeigt sich ihre große Begeisterung für schon die kleinsten Fortschritte. Ob Zeichnungen, Collagen oder Skulpturen; Hannah Grobe nutzt die große Breite von Form, Farbe und Material. Andrea-Ursula Müller hingegen ist freischaffende Künstlerin, und beide Frauen ertasten nun all die Möglichkeiten, die so ein individueller eigener Kunstraum mitbringt. „Es macht uns einfach Spaß, hier auch mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Obwohl die meisten nur hochinteressiert durch die Schaufenster reinschauen“, lacht die 59-Jährige. Ein Haus weiter, an der Ecke Bulmker Straße / Hohenzollernstraße ist ein großer arabischer Supermarkt. Welten treffen aufeinander. So soll es sein in der großen Stadt. Die Nachbarinnen habe es gefreut, dass nun noch etwas Kunst und Kultur die Straße bereichern.

Andrea-Ursula Müller freut sich auf die kommende Zeit, die sie mehr in die Gelsenkirchener Kunstszene eintauchen lassen wird. Sie kommt aus Wattenscheid, einen Katzensprung nur und doch ein anderer Kosmos. Ihre künstlerischen Arbeiten zeugen von großer handwerklicher Erfahrung. Ihr Stil ist festgelegt, ihre Themen frei. Mit festem, dickfarbigem Pinselstrich zeigen ihre Werke eine große Präsenz, die Bilder füllen selbstbewusst den Raum. Eine wunderbare Ergänzung zu Hannah Grobes irrlichternden, überraschenden Arbeiten. Doch neben den Vorteilen, die ein eigenes Atelier bietet, wollen die beiden auch in die Gesellschaft hineinwirken, dies jedoch mit Bedacht.

„Wir wollen uns hier natürlich verwirklichen, müssen aber auch schauen, dass wir andere Künstlerinnen und Künstler mit ihren Ateliers keine allzu große Konkurrenz machen“, erklärt Andrea-Ursula Müller.
Gemeint sind damit die Malkurse, die das ARTelier anbietet. Bisher gibt es den Malkurs für Menschen mit und ohne Behinderung. Hier können Kunstinteressierte entweder in einer 1:1-Betreuung oder in kleinen Gruppen sich künstlerisch betätigen. Sie bekommen eine breite Palette verschiedener Materialien gestellt und können sich so in den unterschiedlichsten Richtungen ausprobieren und entwickeln. Das „Offene Atelier“ bietet einmal in der Woche Raum und Knowhow für Hobbykünstlerinnen. Hier wird der Austausch gepflegt, gemeinsam gemalt, gezeichnet oder modelliert. Ihre Nische haben die beiden mit dem Thema „Inklusion“ bereits gefunden und bereichern somit die Stadt und den Stadtteil. Aber sicher freuen sich auch andere potenzielle Malerinnen, jung oder alt, über ein weiteres Angebot in der Stadt. Denn Bedarf an bezahlbaren Malkursen gibt es immer.
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