„Wir brauchen kein Mittelmaß“

Michael Voregger im Gespräch mit Christoph Klug

Kaufleute und Gastronomen beklagen den Niedergang der Innenstadt in Buer. Das deutlichste Zeichen für die aktuelle Lage ist sicherlich die Markthalle, die jetzt bereits seit mehreren Jahren leer steht. Christoph Klug ist Bueraner, 42 Jahre alt und seit zehn Jahren Gastronom. Er betreibt in der Innenstadt mit dem „Lokal ohne Namen“ und dem „Domgold“ zwei gastronomische Betriebe in direkter Nachbarschaft des Doms. Michael Voregger hat mit ihm über die Entwicklung der Innenstadt gesprochen.

Michael Voregger: Die aktuellen Probleme in Buer ähneln denen im Süden der Stadt. Was sind die wesentlichen Dinge, die Sie stören?

Christoph Klug: Man merkt, dass es keine Stagnation mehr ist, sondern ein Abwärtstrend. Man macht sich keine Gedanken, wie man Buer für junge Leute wieder interessant machen kann, damit beginnt es. Die Stadtplanung ist eher darauf bedacht, eine seniorenfreundliche Stadt zu entwickeln. Senioren sollen sich hier wohlfühlen, und wir sind eine ältere Stadt – das ist völlig in Ordnung. Wir müssen aber darauf achten, dass wir den Anschluss nicht verlieren. Wir sollten die Hochschule gerade in Buer stärker einbinden. Sie ist nicht weit weg, aber sie findet hier nicht wirklich statt. Man muss etwas für junge Leute schaffen, wie Studentenwohnungen und bezahlbaren Wohnraum.

Gelsenkirchen ist eine Stadt mit vielen sozialen und ökonomischen Problemen. Was hat sich in den letzten Jahren verändert?

In den 60er und 70er Jahren gab es durch den Bergbau mehr Geld in der Stadt. Die Arbeitslosigkeit bleibt seit vielen Jahren beständig auf einem hohen Niveau. Was sich noch verändert hat, ist die allgemeine Mentalität. Die Verrohung nimmt in der Stadt immer mehr zu – leider kommt es auch ein bisschen ‘rüber nach Buer. Das war nie ein so ein großes Thema, aber langsam müssen wir das auch hier begreifen.

Wie ist die Situation der Gastronomie und des Einzelhandels?

Schwierig – wir haben zwar ein Grundpotenzial an Menschen, die zu uns kommen, aber wir schaffen es momentan nicht, Leute aus dem näheren Umkreis zu erreichen. Man hat in Gelsenkirchen im Vergleich zu anderen Städten geschlafen. Ein Beispiel ist Recklinghausen, wo in der Gastronomie viel gemacht wurde. Ein Grund, warum die Leute auch an schönen Sonnentagen nicht nach Buer kommen, sind die fehlenden Biergärten. Hier muss die Stadt mehr tun und mehr Plätze für Bestuhlung und Gastronomienutzung freigeben. Das würde die Lebensqualität verbessern und würde auch dem Einzelhandel helfen. Wenn mehr Leute in der Innenstadt bleiben, dann gehen sie vielleicht auch shoppen. Im Moment springt man aus dem Auto, kauft das nötigste ein und fährt wieder. Die Verweildauer muss deutlich erhöht werden, damit die Stadt attraktiver wird.

Wo kommen die Kunden und Besucher her?

Hier ist der logische Einkaufsplatz für Bueraner und für Menschen aus dem Süden der Stadt. Vielleicht auch noch aus Westerholt, aber dann wird es langsam schwer. Früher war Polsum auch wichtig, aber hier orientiert man sich immer stärker nach Gladbeck.

Die lokale Politik und die Stadtverwaltung spielen bei der Entwicklung der Innenstadt eine wichtige Rolle. Was sind denn Ihre konkreten Forderungen an die Stadt?

Wir brauchen einen aktiven Citymanager, was im Süden ganz gut klappt. Das führt dazu, dass man Leerstände besetzt und die Akteure in der Innenstadt miteinander verknüpft. Das fehlt leider in Buer. Hier kennen sich nur wenige Leute wirklich gut, die Geschäfte betreiben. Wenn wir hier gemeinsam diese Energie entwickeln – unterstützt durch entsprechende Koordination – dann würde sich einiges ändern. Außerdem müssen wir einfach darauf achten, dass die Fachhochschule stärker in den Mittelpunkt gerückt wird. Hier sind 5000 junge Leute – 5000 Studenten, die wir abholen müssen. Also studentischen Wohnraum anbieten und Einkaufsmöglichkeiten schaffen. Das fängt bei Bekleidung an. Wir haben ja schon einiges hier, aber das kann sich noch ausweiten. Für Männer wird es langsam schwer, Bekleidung zu kaufen, wenn man nicht im hochpreisigen Segment unterwegs ist. Es ist schwierig, ein einfaches weißes Hemd zu kaufen – nach der Schließung von Sinn-Leffers. Ich kenne Leute, die müssen dafür nach Recklinghausen oder Essen fahren, und das ist nicht gut für unsere Stadt.

Auf dem Domplatz ist vor einiger Zeit ein Komplex mit vielen Seniorenwohnungen errichtet worden. Ein Modell, das die Stadt verfolgt, und so etwas gibt es inzwischen auch in der Innenstadt von Gelsenkirchen – eine gute Idee?

Das ist meine direkte Nachbarschaft, und dieses Gebäude ist aus städtebaulicher Sicht eine Katastrophe. Toll, wenn Senioren in der Stadt wohnen und kurze Wege haben. Allerdings hätte man vorher den Bewohnern kommunizieren müssen, dass hier eine Gaststätte mit einem Biergarten ist. Es kann bis 24 Uhr auch mal lauter werden, oder Raucher unterhalten sich direkt vor der Tür. Das liegt nicht in meinem Einfluss, fällt aber auf mich zurück. Da hätte man besser planen sollen. Ich hätte mir an dieser Stelle auch ein Studentenwohnheim vorstellen können.

Es ist ein Projekt der Stadt und der Wirtschaftsförderung, auf Großgastronomie zu setzen, die sich auf der grünen Wiese befindet.

Das ist natürlich Konkurrenz und hat für die Betreiber viele Vorteile. Man darf dort umsonst parken, und die Stadt stellt unglaublich viele Parkplätze kostenlos zur Verfügung. Eine zweite Sache ist, dass dort keine Lärmbelästigung existiert, weil niemand dort wohnt. Dort gibt es Außenbereiche, wo man bis 3 oder 4 Uhr nachts sitzen kann. Das sind Konkurrenzsituationen, die die Stadt künstlich schafft, und ich bin absolut dagegen. Auf der anderen Seite lässt man die Gastronomen in der Innenstadt am langen Arm verhungern. Davon sind nicht alle Gastronomen betroffen, weil natürlich auch Individualität gefragt ist und die Leute gerne in kleine Kneipen gehen. Beim Einzelhandel hat die Stadt anders gehandelt, denn hier gibt es ein Einzelhandelskonzept. Das schützt den Einzelhandel, und deshalb wurde die vermeintliche Konkurrenz IKEA nicht in der Stadt angesiedelt.

Gelsenkirchen war nicht nur die Stadt der 1000 Feuer, sondern auch die Stadt der 1000 Kneipen. Das hat sich auch in Buer geändert, und Gastronomie ist kein einfaches Geschäft mehr. Warum?

Leider hat mit dem Zutz erst vor kurzem eine Kneipe mit Tradition geschlossen. Buer hatte einen tollen Mix – die Leute sind aus Herten, Gladbeck, Bottrop und Westerholt hierher gekommen. Dieser Mix ist immer weiter geschrumpft. Jetzt haben wir noch tolle Restaurants, aber an Kneipen fehlt es.

Was sind Ihre Forderungen an die Stadt?

Reden Sie mit den Eigentümern, damit wir endlich mal vernünftige Mieten für die Gastronomen bekommen. Forcieren sie als Stadt, dass der Domplatz zum gastronomischen Zentrum von Buer wird. In viel mehr Ladenlokalen sollte Gastronomie sein, und der Platz müsste den ganzen Tag bespielt werden. Helfen sie uns bei der Bestuhlung, und kommen sie uns bei den Gebühren entgegen. Die sind immer noch recht hoch – ich glaube sogar auf einem Niveau, das über Rüttenscheid liegt. Lassen sie uns nicht im Regen stehen bei Ruhestörung, wenn Leute draußen rauchen – machen sie Druck auf den Gesetzgeber im Land, dass das geändert wird.

Gibt es ein Ziel oder eine Vorstellung von Seiten der Stadt, wie sich die Innenstadtbereiche entwickeln sollen?

Die Gastronomie hat keine Lobby in der Stadt – ich sehe sie zumindest nicht. Ich kann keine Vision für die Stadt und auch nicht für Buer erkennen. Das einzige, was ich mal gehört habe, ist vielleicht drei Jahre her. Die Vision war, dass in das Gesundheitswesen und in Seniorenwohnungen investiert wird. Das ist natürlich schwierig, denn das sind Bereiche wo es weiter bergab geht, weil hier die jungen Leute nicht nachkommen.

Der Domplatz ist ja neu gestaltet worden. Wie sind sie damit zufrieden? Gibt es Probleme?

Es ist toll, dass Anschlüsse für Strom und Wasser da sind. So können Veranstaltungen wie der Feierabend- oder der Street-Food-Markt durchgeführt werden. Was ich aber überhaupt nicht verstehe, ist, warum der Platz nicht begrünt wird. Die kleinen Bäumchen wären in Japan vielleicht riesig – im Vergleich zu Bonsai, aber ich werde wohl nicht mehr erleben, dass sie groß sind und Schatten spenden. Gerade in einer vom Klimawandel betroffenen Stadt, sollten beschattete Plätze die Regel sein.
Um jedoch über Probleme zu sprechen: Es ist ein Blindenstreifen mitten durch meinen Biergarten gelegt worden, obwohl ich mehrfach in der Planungs- und Bauphase darauf hingewiesen habe, dass es ein konzessionierter Biergarten ist. Jetzt muss ich diesen Platz freilassen und kann keinen Windschutz direkt darauf bauen. Der Pfahl für das Winterlicht wurde direkt in meinen Biergarten gestellt, so dass ich meine Markise nicht ausfahren kann. 50 cm weiter nach links wäre kein Problem gewesen, aber es wurde darauf beharrt nach dem Motto: „Das ist so eingezeichnet.“ Jetzt hoffe ich, dass der Pfahl abgebaut wird, denn er ist ja nur für das Winterlicht, aber wir haben bald Juni.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der Stadt, wenn Genehmigungen für Veränderungen benötigt werden?

Bei der Stadt ist man schon bemüht, hier weiterzuhelfen. Beim Windschutz wird das aber wieder kompliziert. Der Domplatz ist ziemlich offen, und hier pfeift der Wind. Wenn man einen Windschutz aufstellen will, dann muss dieser voll verglast sein, er muss Sicherheitsglas haben, und er darf den Platzcharakter nicht zerstören. Dennoch kann ich ihn nicht komplett aufbauen, weil ich ja den Blindenstreifen frei lassen muss. Wir sprechen bei dem Windschutz über eine Summe zwischen 12 und 15.000 €.

Ihr Schlusswort für unser Interview?

Gelsenkirchen ist Mittelmaß oder sogar auf dem absteigenden Ast. Um das zu durchbrechen, darf man mit Mittelmaß nicht zufrieden sein, sondern muss etwas Herausragendes anbieten. Wenn es auch nur kleine Projekte sind. Die müssen dann so gut und so einzigartig sein, dass sie über die Stadtgrenzen ausstrahlen. Politik mit der Gießkanne für viele kleine Projekte hilft nicht weiter. Gelsenkirchen ist bundesweit für Mittelmaß bekannt – das gilt inzwischen auch für Schalke 04. Wir brauchen herausragende Projekte, wir brauchen Leuchtturmprojekte, aber bitte kein Mittelmaß mehr.

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13 Gedanken zu “„Wir brauchen kein Mittelmaß“

  1. Kann ich nur so unterschreiben, aber vielleicht auch mal an die eigene Nase fassen, denn die Türsteher vom LoN vergraulen auch einige Kunden bzw. Studenten.
    Durch ihre aggressive und gewalttätige Art macht es einfach keinen Spass mehr.
    Öfters musste ich erleben wie die Türsteher Flüchtlinge abgewiesen haben oder handgreiflich gegenüber Gästen wurden.

  2. Sehr treffender Artikel.
    Der Bericht passt auf meine Erfahrungen in der Stadt Gelsenkirchen. Ich bin mittlerweile nach über 30 Jahren des Hoffens und aufwendigens Mitwirkens nach Köln gezogen und werde wohl auch nicht in die graue und langweilige Provinz zurückkommen, was wohl für die meisten aus dem Ruhrgebiet Abgewanderten hier zutrifft.

    Buer hatte früher was. In die GE-Innenstadt bin ich irgendwann nicht mehr gegangen, wegen der Billigläden und fehlender Qualitätsangebote. Meine Einkäufe habe ich dann mangels Angebot in Köln getätigt.

    Ich war neulich in der Innenstadt von Buer – nach über 10 Jahren – ich war frustriert. Die letzte städtische Insel der Hoffnung befindet sich im Untergang. Dafür gibts an jeder freien Ecke Mr. Chicken und Cafe del Sol Filialen, für die brauche ich nicht nach Gelsenkirchen fahren.

    Für junge Leute wurde noch nie viel in GE gemacht. Schon in den 80er konnten wir als geburtenstarker Jahrgang nichts von Politik und Verwaltung erwarten. Heute bereitet man sich aufs Aussterben vor. Spielplätze werden aufgegeben und verkauft.

    Und: Es gab immer die Einheitspartei und wenn man die nicht gut fand, hatte man keine Chance, auch bei der Jobvergabe im Rathaus nicht. Die Partei beherrscht den Strukturwandel mental.
    Die Schilderung von Herrn Klug beschreiben die Mentalität in Gelsenkirchen (und großen Teilen des Ruhrgebiets) recht gut. Die einzige Lobby, die ich in Gelsenkirchen ausmachen konnte: Die SPD plus AWO und anhängende Strukturen.
    Ich habe nie jemanden getroffen der dort im Kreis der Regierenden eine Vision hatte oder wollte. Lediglich der Machterhalt vor Wahlen war Thema. Im Gegenteil, man wurde eher als Störer tituliert, wenn man die Ruhe störte.

    Zur Innenstadtentwicklung:

    1) Die Entscheider kommen scheinbar ursprünlich alle aus Gelsenkirchen. Das ist schlecht, wenn sie sich nicht längere Zeit in wachsenden Städten lebten und sich dort kundig machen konnten.
    Von außen kommt keiner rein. Wenn man sagt, wie es gehen kann und das provinzieller Mief herrscht, ist man weg vom Fenster.
    2) Die sozialökonomische Entwicklung wird öffentlich geschönt, unterschiedliche wissenschaftliche Belege ignoriert, statt sich intelektuell damit auseinanderzusetzen.
    3) Aufgeschlossene bürgerliche Akteure ohne Parteibuch werden weggemobbt, da sie die herrschende Partei scheinbar gefährden.
    P.S. Ich gehörte zu denen, die investieren wollten, also die, die immer nach GE kommen sollen. Nur mich immer bevormunden und abkassieren lassen wollte ich nicht.
    4) Es gibt jährlich weniger Standortvorteile (permanenter Abwärtstrend).
    5) Externe Besucher äußern Frust, wenn sie die Stadt und die armen Menschen sehen.
    6) Über die vermurkste Sozialpolitik und die Wirkung darf man auch nicht reden.
    7) Das erforderliche Bildungsmilieu ist unterdurchschnittlich, jungen Leuten geht es oft sehr schlecht.
    8) In der SPD können Leute gewählt werden, die andernorts keine Chance hätten.
    Ein Ortsverein zu besuchen, verdeutlicht die Lage. Die Oposition will scheinbar in GE auch nicht regieren. Ich rede nun nicht von der AfD.
    9) Bei Ideen werden Ideen aus dem Ruhrgebiet verwendet, aber nicht von auswärts.
    10) Bürgerbeteiligung wird durchgeführt, weil Land und Bund das formal fordern, die Ideen werden dann aber meist nicht beachtet.
    11) Vermutlich würde man gerne die Kohle wieder fördern und gut ist.

    Ich wünsche den engagierten Menschen in Gelsenkirchen, die Lebensqualität und Leben fördern möchten viel Kraft!
    Allerdings erwarte ich keine innere Reflexion der SPD und der parteilich verbundenen Verwaltungseinheiten.

    und Herr Voregger, sie beschreiben wichtige Themen, ich hoffe man achtet Sie dafür!

    1. Naja… über die Nachteile der SPD in Gelsenkirchen als „Einheitspartei“ zu referieren, wobei man das dann ausgerechnet aus Köln heraus macht (wo die SPD bis auf eine Unterbrechung Anfang der 2000er Jahre regierte) und dort, wo der Name „Filz“ erfunden wurde, mutet schon komisch an. Man kann sich Köln mit den völlig überzogenen Mietpreisen auch schön reden.

      Viele Punkte kann man der Stadt nicht anlasten. Die mittlerweile mangelhafte Ansiedlung vernünftiger Einzelhandelsgeschäfte in Buer ist ein Problem der Vermieter dort. Die nehmen die Mieter, die am schnellsten die hohen Mieten zahlen und haben keinen Bock auf langwierige Verhandlungen. Die Politik kann nur sehr begrenzt auf die Art und Weise der Vermietung der Mieter Einfluss nehmen.
      Zudem gibt es halt eine Bevölkerungsstruktur, die ihre Bedürfnisse hat. Siehe „Seniorenwohnheim“. Wobei ich mich allerdings auch frage, wie man den Bau eines Wohnheims in Wurfweite der Gastronomie mit Außenbereichen überhaupt erlauben konnte.

    2. Lieber Herr oder Frau F. Fluss,

      Ihre Sätze spiegeln meine Erfahrungen und Gefühle mit der sozialistischen Einheitspartei und dem Appendix Stadtverwaltung in erstaunlicher Weise. Als kritischer aber auch konstruktiver Bürger und Unternehmer in dieser Stadt, habe ich mir mit einer nicht oppoturnistischen Haltung gegenüber den Machtstrukturen einen schlechten Ruf erarbeitet. Es ist der des Nestbeschmutzers. Erst Anfang Juni hat mir der Stadtverordnete David Peters öffentlich bei FB geraten die Stadt zu verlassen. Schließlich sei ich der einzige Unternehmer hier, dem die „Stadtmarke“ nicht gefällt. Man kann das nun als dumm, arrogant oder machtbewusst etikettieren. Aber genau das haben Sie mit Ihren Worten ja so treffend beschrieben. Ich heisse Franz Przechowski, bin seit über 35 Jahren geschäftsführender Gesellschafter der UNICBLUE und beschäftige am Standort GE 67 Mitarbeiter.

  3. So isses. Die letzten Mohikaner halten verzweifelten Mutes die Stellung.
    Andererseits sollte man sich auch fragen dürfen: Das Leben ist endlich. Wann muss Schluss sein, mit dem Kampf gegen Windmühlen und registriert: Der „Patient“ ist unheilbar krank, lassen wir ihn würdig sterben und bricht die Zelte ab ?
    Hier brennts an so vielen Ecken gleichzeitig. Neben der verstetigten heimischen Armut und der „alten“ Parallelgesellschaften , breiten sich überall zusätzlich neuralgische Punkte aus EU-Süd-Ost in vorher gut funktionierenden Straßen aus. Immer mehr ziehen dort weg.
    Es gibt Städte, etwa Nürnberg, die haben erkannt, dass Menschen Innenstädte lieben, wenn sie individuell und gastronomisch reizvoll sind. Das sind gute Beispiele. Aber vielleicht für GE eine Illusion.
    Andererseits: Die (gesunden) Alten von heute waren noch nie so jung und fit. Sie werden es auch noch die nächsten 20 Jahre sein. Wenn alle mal begreifen würden, dass es kein Widerspruch zu jungen Konzepten sein muss, jeden mitzunehmen, wäre vielleicht dem ganzen Menschen gedient.

  4. Die Ironie an der ganzen Geschichte ist ja, dass Herr Klug sich keineswegs für die jungen Leute interessiert. Das „Fuck“ wird in Kürze zu einem Domgold 2.0 umgebaut, da ältere Leute mehr Geld lassen. Man hat mit dem Feierabendmarkt eine Goldader getroffen, die es jetzt gilt in vollem Maße auszuschöpfen. Man braucht mehr Platz für die zahlende Kundschaft, die um Alternativen bittet. „Ins Fuck würden wir ja auch gerne gehen, wenn doch bloß die Kiddies nicht wären!“ Es geht allein um den Umsatz. Andernfalls würde man eine solche traditionelle Institution wie das Fuck nicht wegwerfen. Und dann soll man bitte nicht so scheinheilig sein und Interesse den jungen Leuten gegenüber vorheucheln! Den jungen Leuten, die das Fuck besucht haben, bleibt keine Alternative. Wo man zuletzt zwei Zielgruppen abgreifen konnte, bleibt nur nur noch eine: die zahlungskräftigere.

  5. Einst als wunderbares Heft gestartet, nimmt die Gelsenkirchen-Kritik mittlerweile groteske Züge an. In GE ist alles schlecht, positive Dinge werden überhaupt nícht mehr erwähnt. In anderen Städten fließt anscheinend flüssiges Gold durch die Abwasserrohre. Und hier wird alles immer noch schlechter und woanders mir besser. Selbst im Ruhrgebiet ist Gelsenkirchen anscheinend besonders runtergekommen. So einen schwarz-weiß-Mist kann man aber nur als einseitigen Nicht-Journalismus bezeichnen.

    GE hat Probleme, auch mehr als die meisten anderen Städt und der Grund ist allen bekannt. Beim Blick auf das Ruhrgebiet relativiert sich das dann schon wieder, da ist die Ursache ja auch die Gleiche.

    Aber auch andere Städte haben Probleme. Grade die bei der Isso oft so hochgejubelten Städte wie Hamburg oder Berlin, aber auch Köln oder Frankfurt haben doch Riesenprobleme mit Kriminalität, Verwahrlosung und Vermüllung, Armut und Arbeitslosigkeit, teilweise schlechter Integration. Und Rumänen und Bulgaren zieht es überall in, da muss man nur ganz simpel mal googeln. Wobei sie in anderen Städten wie Frankfurt dann in Zeltstädten leben oder direkt auf der Straße. Selbst das reiche München hat tausende Osteuropäer aufgenommen und Probleme mit nicht wenigen von ihnen.

    Ich spreche hier wirklich nur mal grob ein paar Sachen an, weil es total absurd ist diese Einseitigkeit. So absurd, dass man das Heft eigentlich nicht mehr lesen kann und eine Diskussion auf so einer Grundlage für mich witzlos ist. Mit konstruktiver Kritik (wie zu Beginn der Hefterscheinung!) hat das nichts zu tun.

    Von den schönen und guten Seiten, Dingen und Ereignissen kommt im Heft wirklich so gut wie gar nichts mehr vor.

    Gelsenkirchen zählt zu den 10 grünsten Städten mittlerweile, Nordsternpark und das geniale Amphitheater, das hochkarätige Programm in der Arena, in der ja die ganz Großen spielen, Mueseum, die Wälder und Parkanlagen, die beiden tollen Feierabendmärkte, das gutklassige Musiktheater, die Kaue, die schönen und weitgehend intakten Stadtteile Buer, Resse, Resser Mark, Beckhausen, dann so „banale“ Sachen wie wir haben das größte Bowlingcenter und das größte Sport-Event-Center in NRW, der Schalker Sportpark, das Activarium, die auf jeden Fall gute Gastronomie in Buer, die wunderbaren Ziegenmichelcafes im Nordsternpark und Nienhausen, das Heiners, das Shere Punjab, Cafe Pabst, die vielen Galerien und Kulturorte, die vielen Feste undundund. Für eine mittelgroße Stadt hat GE wirklich sehr viel zu bieten und ich könnte hier noch sehr viel schreiben, abe tue es nicht, denn für das Isso gibt es anscheinend nur noch ein Motiv: das Schlechte in GE immer wieder anzusprechen.

    Dann macht mal weiter. Meine Lebensrealität sieht anders aus. Ich bin 39 und Gelsenkirchener mit Herz und Stolz. Und froh nach meinem Studium in Münster wieder hier zu sein, denn hier lässt es sich für mich besser leben.

    Übrigens gibt es auch gute Entwicklungen in GE: Im Nordsternpark, die Feierabendmärkte, Graf Bismarck, Eröffung des tollen Officina in Buer und noch so einiges mehr.

    Mit gut gelaunten Grüßen aus der schönen Resser Mark, direkt aus dem Emscherbruch, da wo es in NRW die höchste Ringelnatterpopulation gibt (die wir auch schon mehrfach zu Gesicht bekommen haben, auch Rehe, Fledermäuse, Eichelhäher und Co kreuzen dort ständig unsere Wege)!

    Matthias Skubicki

  6. Auch wirtschaftlich gibt es hier Erfolgsgeschichten, aber in der Isso nichts davon.

    Die Entwicklungen im Nordsternpark, die Hunkemöller-Deutschlandzentrale hat hier ihren Hauptsitz hinverlegt, Masterflex, die Schülerhilfe ist ein deutschlandweit agierendes Unternehmen mit hunderten Filialen, Mr.Chicken dito und das ist nur ein kleiner Auszug.

    Neben den Problemen ist das auch die Realität.

    Und es gehen nicht nur Leute, es kommen auch Leute. Ich habe auch Leute kennen gelernt, die hier wegen der Arbeit hingekommen sind und sich hier niedergelassen haben.

    Außerdem schaut euch doch mal woanders die Innenstädte an. Sicher gibt es noch funktionierende Innenstädte, aber ist die Innenstadt in Münster wirklich so toll? Ich habe da 7 Jahre gewohnt, eigentlich ist da nichts besonders, nur halt weniger Leerstand. Und Billigläden haben die auch genug.

    Andere Städte haben auch genug Leerstand, grade im Ruhrgebiet. Wobei ich das bei uns ganz und gar nicht schön reden will, wie es bei uns aussieht.

    Und jetzt denkt mal darüber nach, wieviele Leute ihren Scheiß mittlerweile über das Internet kaufen und die Läden sterben aus. Das hat auch viel damit zu tun.

    Und noch zum Schluß: Ich laufe mit Freundin immer noch tausend mal lieber durch Buer und gehe dort schön essen als durch das seelenlose, gehypte Rüttenscheid. Schon alleine weil da eine erbärmliche Kackstraße mit durch deren „Fußgängerzone“ verläuft. Das mag Hipstern ja egal sein, aber mir stiehlt das jede Form von Gemütlichkeit und Stil.

    Ganz zu schweigen davon, dass Buer die tausend mal schöneren Gebäude hat als Rüttenscheid.

    Habe fertig.

  7. Gestern zwecks Konzertreise in meiner Studentenstadt Münster (6 jahre dort studiert) gewesen. Hatte dort 20 Minuten Aufenthalt und die Zeit genutzt, um mich mal im Bahnhofsbereich und dem kleinen Park dahinter umzusehen.

    Glaubt mir, so was eklig vermülltes hab ich noch nie gesehen. Kein Gebiet und auch kein Bahnhof samt umliegenden Gelände im Ruhrgebiet ist sowas von versifft, noch nicht mal im Ansatz. Das war richtig abartig. Dazu dann noch eine Riesentrinker- und Drogenszene (das wusste ich noch von früher, in der Form kenne ich das nicht aus Gelsenkirchen) im Park und jede menge ziemlich verwahrloste Gebäude.

    Und das alles in dieser hippen Stadt, gerne auch von der Isso als leuchtendes Beispiel herangezogen im Vergleich zu Gelsenkirchen.

    Und die Leute waren alle gehetzt und liefen mit einer Fresse rum, meine Güte. Dann bei zwei Leuten was gekauft und im Zug die Fahrkarte vorgezeigt, einer Person unfreundlicher als die andere.

    Deshalb bin ich froh wieder in GE zu leben. Wir mögen noch mehr Probleme als andere Städte haben, aber alle Städte haben Probleme. Und wir haben auch sehr viele Stärken, die die Isso aber unter den Tisch fallen lässt. Und damit aus meiner Sicht zum negativen Image der Stadt beiträgt.

    Ich wünsche mir konstruktive Kritik und keine absurde. Wer über die Vermüllung spricht z.B., der muss auch ansprechen, dass in ganz Deutschland die Entwicklung gleich ist, zumindest in den Städten, egal ob klein oder groß. Man kann nicht sagen, hier ist Vermüllung und woanders nicht. Das ist falsch und verfälschend. Nur mal als ein Beispiel.

    Hier stand doch „Leute sind wegen des Erscheinungsbildes erschrocken, wenn sie nach Gelsenkirchen kommen“. Bestimmt nicht so wie ich als ich gestern nach Münster kam. DAS war wirklich eklig. Das ist auch die Realität, auch wenn die das selber gerne unter den Teppich kehren und von ihrer Stadt schwärmen. Viel läuft halt über PR und Image. Wir als Gelsenkirchener sollten aber Realisten sein und Schwächen und Stärken der Stadt benennen und nicht nur die Schwächen, die auch noch andere Großstädte in gleicher Form haben. Das ist halt ein Massenphänomen und hat mit der Disponiertheit der Menschen und nicht der Menschen nur in Gelsenkirchen zu tun.

    Das Konzert war übrigens im wohlhabendem Rheine, einem sehr schönen Städtchen.

    Aber was sahen meine Augen da?

    Viel Leerstand.

    Ich hoffe ihr versteht, was ich meine. Mehr Beispiele brauche ich wohl jetzt nicht mehr zu bringen.

    Mit zwei Leuten zwechs Erwerb von Dingen

  8. Lieber Herr Skubicki,
    als ich ich euphorische Wahrnehmung über GE gelesen habe, stellte sich unmittelbar die Frage nach dem Ortsverein, bei dem Sie Mitglied sind. Die zweite Frage galt der Lage der Abwasserrohre in denen pures Gold fliessen muss.
    Die ISSO ist das einzige Medium in der Stadt, was kritisch und sachlich über die gesellschaftliche Entwicklung berichtet. Man hat sich die Unabhägigkeit zur Stadtverwaltung und all den vielen städtischen GmbHs bewahrt. Das exakte Gegenteil ist die von der SMG herausgegebene sogenannte „Stadtzeitung“. Es gibt nur Jubelberichte und Unrelevantes zu lesen. Das Ganze kostet auch noch Geld! Das städtische Budget wird mit 60 bis 80 TEuro p.a. belastet.

  9. Ich habe mit der Politik und der Stadtverwaltung nichts zu tun, genauso wenig wie mit der Isso. Mit beiden habe ich nämlich abgeschlossen, mit der Isso seit der letzten Ausgabe.

    Bei der letzten Wahl habe ich Tierschutzpartei gewählt, nachdem ich ein Leben lang verschiedene „linke“ Parteien wählte.

    In ihrem Beitrag Null Argumente, nachdem ich sehr viele ins Feld führte. Noch mal als Fazit:

    In GE gibt es viele Probleme, aber die hat jede Stadt. Und in GE gibt es sehr viel gutes und schönes, wie auch in jeder anderen Stadt.

    Ich hoffe die Politik kann gutes bewirken und in etlichen Bereichen sehe ich das auch. In anderen tut sie sich schwer, was auch eine Frage des Geldes ist. Aber nicht nur im Ruhrgebiet, auch in vielen anderen Städten gehen die Städte finanziell am Stock. Immer mehr Lasten, immer weniger Erlöse, alles aufgebrummt vom Bund.

    Der Isso wünsche ich wie zu Beginn eine wirklich konstruktive Rolle und nicht diese Extremposition. Man darf nie vergessen, auch andere Städte haben mit Vermüllung, Leerständen, Arbeitslosigkeit, Armut, gescheiterter Integration zu tun und damit schwer zu kämpfen, selbst wenn sie wohlhabend sind.

    Auch in München sind viele tausende Rumänen und Bulgaren angekommen und in der Stadt gibt es 25 Tafeln.

    In Frankfurt leben die Rumänen halt in Zeltstädten und nicht in Schrottimmobilien.

    Und Münster ist mittlerweile total vermüllt.

    Macht unsere Zustände nicht besser, aber relativiert halt manches.

    Konstruktive Diskussion nicht möglich (habe da auch noch so eine Mail erhalten von einer Mitarbeiterin), sondern nur das Gegenteil der Schönmal-Propaganda der Stadt.

    Glückauf, macht es gut!

  10. In der neuen Isso schreibt jemand, der nach Köln gezogen ist, weil da ja alles besser sei…

    Köln, Alter! Oder auch alter Falter!!!

    Also: Googlen nach Köln + Armut / Vermüllung / Leerstände / Kriminalität / Nordafrikaner…am besten mal selber hinfahren, die besseren Gegenden, die es ja auch bei uns gibt, aber meiden, um die Realität zu sehen!

    Und die hatten keinen Strukturwandel wie wir zu bewältigen!

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