Generationen-Fehde im MiR

Don Pasquale“ überzeugt als amüsantes Possenspiel

von Alexander Welp

 

Der Herr im Haus bestimmt, was Sache ist! Dieses altmodische, klischeehafte und patriarchalische Rollenbild ist der Aufhänger für Zsófia Gerébs Inszenierung der Comedia buffa „Don Pasquale“, welche vor über 180 Jahren von Gaetano Donizetti ins Leben gerufen wurde und in Paris ihre Premiere feierte.

Don Pasquale will heiraten und das gesamte Vermögen der Familie sowie das imposante Anwesen einer geeigneten Nachkommenschaft vermachen. Sein Leibarzt und enger Vertrauter Dr. Malatesta soll nach einer passenden Frau für den betagten Paten suchen. Seine Wahl fällt auf seine eigene Schwester, Sofronia, welche sich zuvor in einem Kloster aufhielt. Gleichzeitig hadert der betagte Don Pasquale mit seinem Neffen Ernesto, da dieser sich weigert, die geplante Hochzeit mit seiner Freundin Norina abzusagen – ganz zum Missfallen seines Onkels. Kurzerhand wird Ernesto aus dem Haus gejagt und enterbt. Um das Gemüt des Familienoberhaupts zu beruhigen, schmiedet Dr. Malatesta einen gewagten Plan: Er will Norina als seine Schwester ausgeben, die dem Patriarchen nach der Hochzeit das Leben gehörig schwer machen und ihn, im Bezug auf seinen Neffen, zum Umdenken bewegen soll. Es beginnt ein lustiges Verwechslungsspiel, das mit gezielten Pointen und einer gehörigen Spur Wortwitz für einen kurzweiligen Theaterabend sorgt.


Musiktheater im Revier
lässt auf allen Ebenen
die Muskeln spielen

Als Zuschauerin ist man gewohnt, vom MiR regelmäßig gute bis sehr gute Produktionen bestaunen zu dürfen. Doch gerade im Punkt der Personenregie zeigt Zsófia Geréb eindrucksvoll, wozu das Haus unter guter Leitung imstande ist. Mit zielsicherer Hand führt Sie ihre Charaktere von einer stimmungsvollen Szene in die nächste. Auf komische Art und Weise spielt Geréb mit dem Konflikt der Generationen und den verschieden Lebensphilosophien von jung und alt – bedingungslose Liebe versus kompromisslose Vernunft. Ihren Don, der von Urban Malmberg zugleich anmutig sowie herrlich verschroben porträtiert wird, lässt sie zu Beginn unrasiert, in Bademantel und Pantoffeln auftreten, was bei großen Teilen des Publikums für breites Grinsen sorgt, nur um ihn vor der Hochzeit wie aus dem Ei gepellt erstrahlen zu lassen. Seine eigentliche Machtlosigkeit wird durch diesen optischen Wandel in geschickter Manier überdeutlich. Stichwort Macht, beziehungsweise Verlust derselben: Nachdem Norina als fingierte Braut das Zepter im Haus übernimmt, entwickelt sich eine darstellerische Synergie, die das gesamte Ensemble zur Höchstleistung anspornt. Als „Braut infernale“ zeigt Margot Genet ihr ganzes Können. Rasant kommandiert sie die Angestellten des Dons umher, lässt ihn selbst als alt und tatterig dastehen und setzt gesanglich dabei stets die richtigen Akzente. Stimmlich zeigen sich alle Darstellerinnen von ihrer besten Seite und transportieren Donizettis unverwechselbare Melodien gefühlvoll und präzise. Gleiches gilt für die neue Philarmonie Westfalen, welche sich unter der Leitung von Guilano Betta keine Schnitzer erlaubt. Ein besonderes Lob gebührt dem Opernchor des Theaters, welcher in dieser Produktion eine gewaltige Spur Spielfreude mit auf die Bühne bringt – ein Umstand, der in vielen vergangenen Inszenierungen schmerzlich vermisst wurde.
Abgerundet wird die schöne Theatererfahrung durch ein stimmiges Bühnenbild von Ivan Ivanov. Im Wechsel wird durch drehbare Bühnenelemente der Kontrast der Generationen erneut präsentiert: Ein vornehmes und beinahe steriles Anwesen des Dons steht einer bunten Wohnung seines Neffen im Ikea-Stil gegenüber.
Das Gelsenkirchener Publikum dankte mit großem Applaus.

DON PASQUALE
Komische Oper von Gaetano Donizetti

Weitere Termine:
Fr 21. April 2023 – 19:30 Uhr
So 23. April 2023 – 19:30 Uhr

15 – 45 €

Musiktheater im Revier
Kennedyplatz, 45881 Gelsenkirchen
www.musiktheater-im-revier.de

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