Eine Lok namens Gelsenkirchen

Bismarcker Bahnwerker zu Besuch im Großkraftwerk Mannheim

von Jesse Krauß

Als sich 2014 das Management des Großkraftwerkes Mannheim (GKM) bei den Freunden des Bahnbetriebswerks Bismarck e.V. meldete und ihnen ihre große grüne VEBA-Lok abkaufen wollte, fiel dem Vereinsvorsitzenden Paul Lindemann die Entscheidung nicht leicht. Die feuerlose Dampfspeicherlok, Baujahr 1954, hatte lange Zeit im Chemiewerk Scholven Dienst getan und war dann 1997 ins Bahnwerk Bismarck überführt worden, wo sie seitdem (ohne Dampf) Teil der Sammlung historischer Schienenfahrzeuge gewesen war. Doch das Angebot der Mannheimer war gut, und der 1992 gegründete Verein hatte das Geld für den Erhalt des denkmalgeschützten Bahnwerkes mit Ringlokschuppen, Drehscheibe und weitläufigem Außengelände mehr als nötig, zumal der eigentliche Hausherr, der RVR, hier kaum Unterstützung leistet. So sagte man also schweren Herzens zu, und die Lok wurde im Dezember 2014 in einer Aufsehen erregenden Aktion von zwei Kränen auf einen Tieflader gehoben und in Richtung Mannheim abtransportiert. Ein Trost für die Bismarcker Bahnwerker: Die Lok sollte instandgesetzt und wieder in Dienst genommen werden. Unter Dampf!

Groß war dementsprechend die Freude, als 2018 bei den Bahnwerksfreunden erneut das Telefon klingelte und die Mannheimer mitteilten, die Lok sei inzwischen restauriert worden und habe alle Zulassungsprüfungen bestanden. Es habe etwas gedauert, aber nun ziehe sie unter der Betriebsnummer GKW 6 regelmäßig Kohlezüge ins Großkraftwerk Mannheim. Ob die Bahnwerker nicht mal zu Besuch kommen wollten? Die wollten natürlich, und so machte sich im Mai dieses Jahres eine kleine Delegation auf den Weg nach Baden-Württemberg.

Der Empfang im Kraftwerk war ausgesprochen freundlich, und zum Tages-Programm gehörten nicht nur eine Werksbesichtigung und ein Mittagessen, sondern natürlich auch eine Fahrt mit der neu lackierten Dampfspeicherlok, die übrigens im Werk noch mehrere Schwestern hat. Eines ließen sich die Bismarcker Bahnwerker dabei nicht nehmen: Sie tauften „ihre“ Lok standesgemäß mit Sekt auf den Namen „Gelsenkirchen“, und auch an ein entsprechendes Schild mit dem Gelsenkirchener Stadtwappen hatten sie gedacht. Alles in allem war es ein gelungener Ausflug mit interessanten Gesprächen und bleibenden Erinnerungen.

Wer übrigens mit dem Schiff auf dem Rhein am GKM Mannheim vorbeifährt, hat sogar die Chance, die Lok „Gelsenkirchen“ in Bewegung zu sehen, denn ihr Werksgleis liegt direkt am Rheinufer.

 

 

http://www.bahnwerk-bismarck.de

+ posts

Ein Gedanke zu “Eine Lok namens Gelsenkirchen

  1. Hallöle,
    Schöner Bericht, einmal aus „Kasseläner“ Sicht (Wiederinbetriebnahme einer Henschel-Dampfspeicherlok), zum Anderen empfand ich das Thema in einschlägigen Bahnmagazinen (z.B. „EM“ 8/2018, S.41) schon als etwas zu kurz gekommen; das Buch „Feuerlose Lokomotiven“ von K.Pokschewinski ist leider schon etwas älter. Warum steht an der Lok im letzten Bild „GKW“? Hat das Gross-Kraftwerk Mannheim in letzter Zeit eine Namensänderung erfahren? IIRC stand an der Lok 3 noch „GKM“. Übrigens hat GKM mit „Ihrer“ Nr. 6 auch eine Typenbereinigung durchführen können: 2 baugleiche Vierachser (D-fl; ## 3 und 6) von Henschel, die beiden Dreiachser (C-fl; ## 4 und 5 von Meiningen, Nachbau Konstruktion VEB Lokbau Babelsberg, Typ „FL-C“. Einheitliche Ersatzteilwirtschaft (die Vierachser weisen die Fahrwerksmaße der ehem. Reichsbahn – BR 81auf!) und Bedienung sowie das Plus an Zugkraftreserven durch die Nr. 6 waren wohl unschlagbare Kriterien. Für Scholven wie für EVS Marbach, die die Henschel- Schwesterlok ans GKM als Nr.3 abgegeben hatte.
    Quasi „vor Ihrer Haustür“ (naja, ich misch‘ mich nicht in Ruhrpott-Interna ein …;-) ) bei SASOL in Herne fuhr zumindest bis vor kurzem ein Dreiachser Nr. 5 (C-fl, Typ „Rheinbrikett“; Lager-/Vorratslok) von Krupp. Möglich, aber mir nicht bekannt, ob der Diesel-Ersatz wie beim GKM weiterhin in der Halle blieben kann. Die extrem niedrigen Betriebskosten von Dampfspeicherloks und die Nutzung von „Abfallwärme“ aus thermischen Produktionsverfahren sollten diese „feuerlosen“ Loks eigentlich unschlagbar wirtschaftlich und umweltverträglich machen … „eigentlich(R)“ … so isses, leider halt nicht überall gewürdigt und umgesetzt.

Schreibe einen Kommentar zu Thomas Wagner Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert