Zu Besuch im Kostümfundus des Musiktheaters im Revier
Fotos Ralf Nattermann
Es ist eine Reise durch die Zeiten, durch die Milieus bis hin zu fantastischen Zukunftsvisionen und märchenhaften Kreationen. Im Kostümfundus des Musiktheaters im Revier finden sich tausende Kostüme, Hüte, Helme, Geschmeide, Schuhe und was es noch so alles gibt, sich zu kleiden und zu beeindrucken.
Karin Gottschalk ist seit drei Jahren Leiterin der Kostümabteilung. Trotz der holperigen Anfangszeit im Spielbetrieb durch Corona ist sie längst angekommen an diesem besonderen Haus in dieser besonderen Stadt. Und sie bringt eine große Expertise mit. Die wird auch gebraucht, schaut man sich die Regalreihen mit Kopfschmuck, Uniformen, Schuhen, Broschen, Orden und allem, das putzt oder auch runterputzt, an. Rund 15.000 Kostüme hängen auf den Stangen, in mehreren Etagen, in mehreren Räumen.
„Wir müssen uns natürlich immer wieder von einigen Kostümen trennen, zum einen, weil wir Platz brauchen. Es kommen mit jeder Produktion neue hinzu. Aber auch, weil nach einiger Zeit Stoffe und Farben leiden und die Kostüme nicht mehr zu gebrauchen sind“, erzählt Karin Gottschalk und verweist auf die guten Abverkaufs-Quoten beim jährlichen Theaterfest. Hier kommen Besucherinnen und Besucher zu annehmbaren Preisen an exotische Kostüme, klassische Abendrobe oder alltagstaugliche Anzüge. Das macht den Leuten Spaß und den Kostümfundus schlanker.
Als studierte Kommunikationsdesignerin der FH Wiesbaden und als Magister Artium für Bühnen- und Kostümbild der renommierten Universität Mozarteum in Salzburg sammelte sie berufliche Erfahrung in Theater-, Fernseh- und Filmproduktionen unter anderem des Residenztheaters München, des SWR Baden-Baden, des HR Frankfurt, der ROYAL- und SENTANA Filmproduktion in München. Es folgten Arbeiten in Brüssel, Graz, Schwerin und Salzburg und vielen weiteren Städten und Häusern.
Abwechslungsreich und
herausfordernd
Am Musiktheater im Revier arbeitet Karin Gottschalk interdisziplinär mit allen Gewerken zusammen, die sich rund um das Thema Stoff und Zubehör drehen, dazu gehören die Herren- & Damenschneiderei, die Damengewandmeister, die Kostümassistenten, Zuschneider, Hutmacher, Schuhmacher und Ankleiderinnen. In den Werkstätten entstehen Kleider, hier wird nachempfunden, neu erschaffen, erdacht, Lösungen für Unlösbares gefunden. Haute Couture sowie Clownshose, Paillettenfummel nach Sträflingsfrack; eine schier unendliche Fülle. Einen eigenen Ballettfundus gibt es, denn Kleider, mit denen getanzt, geschwitzt, gewälzt wird, müssen anderes hergeben als jene, mit denen man als reichbestückte Königin eine Arie singen muss.
Karin Gottschalk hat den Überblick über alle mit den Jahren angesammelten Schätze, seien sie aus Stoff, Metall oder Kunststoff. Die Arbeit in der Kostümabteilung ist eine abwechslungsreiche, hier muss kreativ, manchmal unter Hochdruck, immer wieder mit internationalen Künstlern gearbeitet werden, die ihre eigenen Vorstellungen mitbringen. „Das ist eine schöne Seite des Berufs“, sagt die Leiterin des Kostümabteilung, denn jeder Regisseur bringe seine eigenen Vorstellungen mit.
Karin Gottschalk hat den Überblick über alle mit den Jahren angesammelten Schätze, seien sie aus Stoff, Metall oder Kunststoff. Die Arbeit in der Kostümabteilung ist eine abwechslungsreiche, hier muss kreativ, manchmal unter Hochdruck, immer wieder mit internationalen Künstlern gearbeitet werden, die ihre eigenen Vorstellungen mitbringen. „Das ist eine schöne Seite des Berufs“, sagt die Leiterin des Kostümabteilung, denn jeder Regisseur bringe seine eigenen Vorstellungen mit.
„Hier fängt die Historie an“, erklärt Heike Nothers, Leiterin der Herren- & Damenschneiderei, und zeigt auf die chronologisch gehängten Kostüme. „Hier sind die Rokoko-Kleider. Eine Zeit lang war Rokoko auf der Bühne irre angesagt“, so Nothers, die seit 29 Jahren am Haus ist und zu jedem einzelnen Stück eine kleine Geschichte zu erzählen weiß. Sie führt weiter zu zartstoffigen Empire-Kleidern aus der Zeit Napoleons, die die weibliche Taille vernachlässigen und unter der Brust geschnürt sind, was den Trägerinnen eine gewisse Mädchenhaftigkeit verleiht, weiter zu schweren und ausladenden Biedermeierkostümen mit ihren schmalen Taillen und üppigen Schultern und glockigen Röcken mit viel Volants, Rüschen, Stickereien und Applikationen. Sie kamen in der Oper „Klein Zaches, genannt Zinnober“ aus dem Jahr 2015 zum Einsatz.
Bei den Outfits der 1920er Jahre bleiben wir hängen, die mit Pailletten, kurzen Schnitten und vielen Fransen ihre ganz eigene Botschaft senden. Es schimmert in allen Farben, in allen Metalltönen, hier glitzert Edelsteinbesatz, dort berührt die Federboa leicht den Boden, Spitze, Brokat und Samt laden immer wieder ein, hinzufassen und sich in dem künstlerischen Detailreichtum zu verlieren.
Fast alles wird selbstgemacht, einiges wird zweckentfremdet, neu zusammengesetzt, umgefärbt, auf alt gemacht; Nachhaltigkeit ist quasi eine Erfindung von Theatergewerken. Orientalisches, Indisches, Asiatisches wie aus Madame Butterfly; es ist eine komprimierte Zeit- und Weltreise durch die Mode. Und natürlich durch die Welt der Oper.
Doch auch der triste Realismus hat seinen Platz im Fundus, und so gibt es viel Platz für Uniformen, und die naturgemäß in größerer Anzahl, um ganze Chor-Armeen auf die Bühne zu bringen. Embleme, Orden, Bandschnallen und anderes Kriegsgebimmel findet sich in Hülle und Fülle. Vom einfachen Gefreiten bis zum General kann man hier alles finden.
„Diese hier wurde uns von einer Witwe geschenkt“, erzählt Karin Gottschalk und zeigt eine Generalsuniform, die aussieht wie neu. „Das passiert immer wieder. Menschen, die mit außergewöhnlichen Stücken kommen, weil sie möchten, dass sie erhalten bleiben und nicht weggeschmissen werden.“ Eine schöne Form der Zweitverwertung.