Mach mich nicht nass! Die geplante Schließung von Zentralbad und Sportparadies stößt auf Widerstand

von Denise Klein und Michael Voregger/ Fotos: Ralf Nattermann

Es ist der Kampf der Zahlen gegen die Zahlen. Zahlen, die sich Monat für Monat messen lassen, die meistens ein dickes Minus vor sich stehen haben. Auf der anderen Seite die Zahlen eines Wertes, der unterschätzter kaum sein kann; der Wert des Gemeinwohls oder des sperrigen Begriffs der Daseinsvorsorge. Schwer zu bemessen ist er allemal, genauso ungreifbar wie das wabernde Label „Image“. Zur Diskussion stehen in Gelsenkirchen eben jene scheinbar unvereinbaren Größen. Die derzeitige Bäderlandschaft steht zur Debatte.

   

Das städtische Hallenbad an der Turfstraße in Horst atmet den
modernistisch-funktionalen Charme der 1960er Jahre.

Kostentechnisch ist es vor allem das Sportparadies, was Sorgen bereitet. Mit jährlich rund 3,2 Millionen Euro Defizit stünde eine Vollsanierung an, damit die Energiekosten gedrosselt werden könnten. Da liegt für die SPD der Abriss näher. Dasselbe gilt für das Zentralbad, das mit 1,2 Millionen Euro derzeit die Kasse der Stadtwerke belastet. Schließung, Abriss, Sanierung? Zumindest die Hallenbäder in Buer und Horst sollen Schulen und Vereinen den Schwimmsport weiterhin uneingeschränkt ermöglichen.

Doch angesichts der massiven Fehlbeträge durch die Bäder mussten die Stadtwerke Gelsenkirchen handeln. Die 100%igeTochter der Stadt und Betreiberin der hiesigen Bäder gab bei der Unternehmensberatung Altenburg eine Studie in Auftrag, die im September 2015 dem Aufsichtsrat vorgestellt wurde. Geprüft werden sollte, inwiefern sich die Nachfrage in den kommenden Jahren, sowohl quantitativ wie auch qualitativ, ändern wird, und wie die Kommune eine ausreichende Versorgung von Wassersport-, Wasserfreizeit und Saunainfrastruktur gewährleisten kann. Auch einen Vorschlag liefert das Konzept mit. Demnach soll es ein Kombibad mit zwei 25-Meter Becken, zwei Lehrschwimmbecken und „zuschaltbaren multifunktionalen Wasserflächen für den Sommer-/ Freibadbetrieb sowie gewissen Freizeit-/ Erlebniselementen“ geben, so ist in einer Mitteilungsvorlage an den Haupt-, Finanz-, Beteiligungs- und Personalausschuss zu lesen. Was diese Erlebniselemente sein könnten, wird durch die Stadtwerke nicht näher erläutert.

Die Unternehmensberatung schlägt weiter vor, ein Stadtteilbad für Sportschwimmer, Schulen und Vereine mit 25-Meter-Becken und Lehrschwimmbecken zu betreiben. Dieselbe Ausstattung soll ein weiteres Bad für reines Schul- und Vereinsschwimmen bieten. Somit empfiehlt das Konzept, das Schwimmangebot auf drei Standorte zu reduzieren. Bisher gibt es vier. Die Stadtteilbäder in Horst und Buer, das Zentralbad und das Sportparadies. Der Gesundheitspark Nienhausen ist in diesem Konzept nicht erfasst, denn hier ist der Regionalverband Ruhr mit 50% und noch die Stadt Essen beteiligt. Öffentlich einsehbar ist dieses Bedarfskonzept nicht. „Zurzeit prüft die Verwaltung der Stadt Gelsenkirchen, in enger Abstimmung mit der Stadtwerke Gelsenkirchen GmbH, die inhaltlichen Fragestellungen und Varianten zur zukünftigen Bäderstruktur ergebnisoffen. Bedarfsorientierte, wirtschaftlich sinnvolle und finanziell umsetzbare Handlungsalternativen und ggf. damit verbundene Interimslösungen werden dabei geprüft. Geplant ist, dass die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Gelsenkirchen zum gegebenen Zeitpunkt in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Da dieser Prüfprozess noch nicht abgeschlossen ist, werden die Unterlagen den Bürgerinnen und Bürger erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgestellt“, so Unternehmenssprecherin Janin Meyer-Simon. Auch der Presse wird dieses Konzept nicht weitergegeben. „Die SPD-Fraktion will den Bürgerinnen und Bürgern aber auch keine Wahlfreiheit vorgaukeln, die es angesichts der geschilderten finanziellen Situation gar nicht gibt“, heißt es dazu in einer Stellungnahme der Fraktion. „Eine einfache Abfrage – soll das Sportparadies erhalten bleiben, oder wollen Sie drei oder vier Bäderstandorte in Gelsenkirchen, ist weder sinnvoll noch zulässig, weil sie die finanziellen Dimensionen ausblendet“.

„Es geht darum, die vier Bäder-Standorte in
Gelsenkirchen zu erhalten. Das schließt einen
Neubau des Zentralbads und des Sportparadieses
ein, um den Bürgern auch in Zukunft ein
entsprechendes Angebot machen zu können.“
David Fischer (Die Grünen)

Ob es eine Reduzierung von derzeit vier Bäderstandorten – das Jahnbad nicht mitgezählt – auf, wie von der SPD-Fraktion vorgeschlagen, drei geben soll, und an welchem Standort ein neues Kombibad gebaut werden soll, bringt eine rege Diskussion in Gelsenkirchen in Gang. SPD, CDU und Grüne reichten in der letzten Ratssitzung im Dezember 2016 eigene Vorschläge ein. Diese will die Stadtverwaltung bis zum Frühjahr dieses Jahres ergebnisoffen prüfen. „Ziel ist es, in unserer Stadt ein attraktives Angebot für alle Lebensbereiche zu erhalten. Dabei dürfen Kultur-, Sport- und andere Freizeitangebote nicht gegeneinander ausgespielt werden. Mit einem neuen Bäderkonzept sollen die Verluste ohne einen Kahlschlag bei den Bädern verringert werden“, meint die SPD- Fraktion.

Für die Gelsenkirchener Grünen ist wie auch für die FDP und die CDU ist das Sportparadies sakrosankt. Ob Neubau oder Sanierung, das sollten genaue Analysen ergeben. Dass kommunal betriebene Bäder sich im finanziell negativen Bereich bewegten, ist für David Fischer, bildungs- und sportpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, normal. „Das ist die klassische Daseinsvorsorge, die eine Kommune zu leisten hat. Bäder kosten eine Stadt Geld. Natürlich haben auch wir Grünen den Blick auf die Finanzen, aber die Schließung eines Standortes konsolidiert gar nichts“. Seine Fraktion plädiert dafür, alle Standorte zu erhalten.

„Es haben uns viele Briefe und Mails von Bürgern
erreicht. Wir sind dafür, das Sportparadies zu sanieren
und es auch wettkampftauglich zu machen.
Es soll umgebaut werden zu einem Sportcampus.
Der Standort in der Nähe der Schalke-Arena soll
auf jeden Fall erhalten bleiben.“
Christina Totzek (CDU)

Das in den 1960er Jahren ambitioniert geplante und 1971 eröffnete Zentralbad an der Overwegstraße verfügt über ein
25-Meter-Becken und ist damit international als Wettkampfstätte anerkannt. Auf der großzügig ausgelegten Tribüne hat
jedoch schon länger kein Publikum mehr Platz genommen. Ein Abbruch des Bades indes könnte interessant sein, wenn auch
die leergezogene alte Polizeiwache auf dem Nachbargrundstück niedergelegt würde, wodurch ein riesiges Baugrundstück in
bester Innenstadtlage zur Verfügung stünde.

Es ist auch ein Spiel mit den Zahlen, das interpretiert werden will. Mit 5,7 Millionen Euro beziffert die Stadt Gelsenkirchen die Verluste der fünf Bäder im Jahr 2016. Durch die Übernahme der Bäder durch die Stadtwerke konnte sich die klamme Stadt Gelsenkirchen vor einigen Jahren der verlustreichen Bäder und des Zoos entledigen. Durch den steuerlichen Querverbund, sprich: der Zusammenschluss von öffentlich-rechtlichen Betrieben zum Zwecke der steuerlichen Vorzüge, konnten die Erlöse aus dem Strom- und Gasgeschäft der Stadtwerke mit den Defiziten der Bäder und des Zoos verrechnet werden. Bisher ging diese Rechnung auf. Durch die Neuregulierung zur Verpachtung der Energienetze 2013 konnten die Gelsenkirchener Stadtwerke deutlich weniger Gelder für die Quersubventionierung erwirtschaften, was im Jahr 2019 durch eine weitere Einnahmeverringerung nochmal zu einer Verschärfung führen wird. „In den letzten Jahren konnten die Stadtwerke durch 17 Millionen Euro die Bäder und die Zoom Erlebniswelt tragen. Mit den nun schon drei Millionen und zukünftig nochmal vier Millionen weniger Einnahmen kommen wir auf sieben Millionen Euro, die die Stadtwerke weniger haben“, so David Fischer. „Man kann mit dem Betrieb der Bäder kein Geld verdienen, und das gilt auch für andere Städte. Allerdings lassen sich mit einer energetischen Sanierung die Kosten erheblich reduzieren“.

Ein neues Kombibad an der Caubstraße

Für absolut unsinnig halten alle Oppositionsparteien sowie die FDP den SPD-Vorschlag, ein neues Kombibad an der Caubstraße zu bauen. „Unsere großen Bemühungen, die hohe Feinstaubbelastung an der Kurt-Schumacher-Straße zu reduzieren, wären damit ad absurdum geführt“, meint Ralf Robert Hundt, Immobilienmakler und Landtagskandidat der FDP. Lege man die öffentlichen Besucherzahlen aus dem Jahr 2015 für das Zentralbad und das Sportparadies zugrunde, würden rund 350.000 Besucher künftig über die Kurt-Schumacher-Straße oder die Uferstraße kommen müssen. „Wir haben dort seit 2015 eigentlich ein Fahrverbot für LKW, das wir jetzt wieder für ein Jahr verlängert haben. Wir haben eine Klage aus Düsseldorf, weil die Feinstaubbelastung dort wesentlich zu hoch ist. Und dann bauen wir ein Schwimmbad dahin, wo wir, überspitzt, noch nicht einmal mit dem LKW hinfahren können? Ich denke, dass ein Schwimmbad an dieser Stelle einen Verkehrsinfarkt vorprogrammiert. Wenn es diesen Standort trotzdem gibt, muss die SPD dafür die Verantwortung tragen“, so Hundt.

Problematisch sieht die Linke auch, dass das Gelände an der Glückauf-Kampfbahn durch frühere Vormieter belastet sein kann. „Für die Linken ist der Standort Caubstraße untragbar. Man weiß einfach nicht, welche Altlasten es dort gibt. Zumindest wurde dort eine Tankstelle betrieben“, so der Linke-Stadtverordnete Martin Gatzemeier. Er erinnert daran, dass vor einigen Jahren das Gelände zwar saniert wurde, allerdings sei der Erdabtrag mit lediglich vier Metern Tiefe sehr gering.

„Würde man hier ein Bad bauen, wären wohl erneute und tiefere Aushebungen nötig. Auch das würde wieder Kosten verursachen“, ist sich Martin Gatzemeier sicher. Allein die Verkehrssituation bei einer Anfahrt über die Ufer- und die Hafenstraße sieht er brisant. „Die Belastung durch den Lärm der Autobahn, die hohen Emissionswerte und die Zufahrtssituation; das passt alles nicht zusammen. Dieser SPD-Vorschlag ist fast schon fahrlässig.“

Für die SPD ist der Standort an der Caubstraße ein klares Plus, könnte man sich doch an die Schalker Meile und somit an die FC-Schalke-Mythologie heften. Auch sieht die Mehrheitsfraktion Möglichkeiten, weitere Fördermittel für den Neubau zu erschließen, um den gebeutelten Stadtteil aufzuwerten. Unterstützt wird der Vorschlag der Sozialdemokraten von Gelsensport. Einstimmig wurde dort im November 2016 eine entsprechende Resolution verabschiedet. Gelsensport spricht für rund 300 Sportvereine in der Stadt und sieht in dem geplanten teilbaren 50-Meter Becken ideale Voraussetzungen für einen Leistungsstützpunkt in der Region.

Das elegante Bueraner Hallenbad an der
Maelostraße 17 wurde 1955 bis 1956
nach einem Entwurf des städtischen
Hochbauamtes (Dipl.Ing. Timm) erbaut
und steht seit 1992 unter Denkmalschutz.

Das sieht die Gelsenkirchener CDU-Fraktion anders. „Wir wollen das Sportparadies auf jeden Fall erhalten, weil hier ein Angebot für die ganze Familie geschaffen wird. Wir wissen auch das die Besucherzahlen hier gestiegen sind, im Gegensatz zu den anderen Bädern“ , so Christina Totzeck von der CDU. „Gelsenkirchen hat ja nicht mehr so viele attraktive Angebote, und wir sollten unbedingt an dem festhalten, was wir haben. Sonst machen wir uns selbst kaputt, und wir wollen die Zukunft unserer Stadt verbessern“.

Nun wird im Frühjahr ins Detail gegangen, und die unterschiedlichen Konzepte werden vorgestellt. Eine Ratsbürgerbefragung ist zumindest für die Oppositionsparteien ein wichtiges Instrument zur Entscheidungsfindung. Doch die wird wohl nicht kommen, da die SPD das Thema als zu komplex für einen Fragebogen erachtet.

Seit Anfang der 1970er geplant, 1984 schließlich eröffnet: das Sportparadies.
Die zur damaligen Zeit im Ruhrgebiet einmalige, 50 Millionen D-Mark teure
Anlage mit fünf Becken allein im Außenbereich, Eislaufhalle, Kegelbahnen
und Schießstand erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit.
Wenig bekannt: 1991 wurde das Sportparadies von dem heute
international bekannten Fotografen Andreas Gursky abgelichtet.

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