Smartes Gelsenkirchen, China-Connection und digitale Zukunft

Wie wir leben wollen

Smartes Gelsenkirchen, China-Connection und digitale Zukunft

Ein Kommentar von Michael Voregger

Auf dem Neujahrsempfang der Stadt hat Oberbürgermeister Frank Baranowski einen entscheidenden Satz gesagt: „Digitalisierung muss und kann gestaltet werden“. Daran muss die Politik der regierenden SPD in Zukunft gemessen werden. Mit schnellem Internet, dem chinesischen Technik-Partner Huawei, einer vernetzten und smarten Stadt soll bald alles besser werden.

Glasfaser und neueste Mobilfunkstandards sind allerdings keine Lösung für die bekannten strukturellen Probleme. Schnelle Anschlüsse gibt es auch in anderen Städten und Regionen. Wird das etwas abgegriffene Bild der Datenautobahn bemüht, dann ist es nicht entscheidend, wie schnell gefahren wird, sondern wer hier mit welchen Modellen unterwegs ist. Das können überholte Dieselfahrzeuge mit schmutziger Technik sein oder moderne hybride Elektroautos. Das Zitat „Content is King” stammt aus einem Essay von Microsoft-Gründer Bill Gates, aus dem Jahr 1996. Die schnellste Internetverbindung nützt nichts, wenn keine innovativen Inhalte transportiert und neue Geschäftsmodelle entwickelt werden.

Gelsenkirchen war mal die wirtschaftlich erfolgreiche Stadt der tausend Feuer und versucht seitdem, daran anzuknüpfen. Die Versuche, sich als Solarstadt zu präsentieren, sind genauso gescheitert, wie die Strategie zum Aufbau einer Dienstleistungsmetropole. In Gelsenkirchen läuft man allzu oft einem Trend hinterher, statt eigene Qualitäten zu entwickeln. Die Wirtschaftsförderung setzt auf die die Ansiedlung von Unternehmen in den Bereichen Logistik, Dienstleistungen und Callcenter. Die Digitalisierung wird gerade in diesen Branchen viele Arbeitsplätze vernichten.

Ein Weg ist eine gut ausgebildete Bevölkerung, das hat die Politik erkannt. Allerdings gibt es für den qualifizierten Nachwuchs immer weniger Gründe, in Gelsenkirchen zu bleiben. Auch geht das an den zahlreichen Hartz4-Empfängern komplett vorbei, denn hier haben drei Viertel keine abgeschlossene Berufsausbildung. Die Politik verkündet das „Ende der Kreidezeit“ und freut sich über die flächendeckende Ausstattung mit Whiteboards in den Klassenräumen. Smarte Tafeln, Tablets und schnelles Internet sind aber noch kein Konzept für digitale Bildung. Für die Förderung der Medienkompetenz ist mehr notwendig, und das gilt nicht nur für die Ausbildung der Lehrer.

Ein weiterer Punkt auf der digitalen Agenda in Gelsenkirchen ist der nächste Mobilfunkstandard 5G, was die Stadtspitze ganz unbescheiden als „Labor der Zukunft“ bezeichnet. Die Lizenzen dazu werden auf Bundesebene versteigert und sollen dem Bund mehrere Milliarden Euro einbringen. Das können nur wenige Netzbetreiber aufbringen, und es wird die Zahl der Anbieter weiter reduzieren. Die geben die Kosten dann an die Kunden weiter, und auch deshalb ist Deutschland in Europa das Land mit den höchsten Preisen.

Bei einem lokalen Anbieter in Gelsenkirchen kostet der schnellste Kabelanschluss über Glasfaser rund 50 Euro im Monat. Das ist für die meisten Haushalte in einer der ärmsten Städte Deutschlands mit einer zweistelligen Arbeitslosenquote nicht finanzierbar. Einen Sozialtarif für die digitale Welt gibt es nicht, und hier ist der Ausschluss großer Teile der Bevölkerung bereits angelegt. Soll die vernetzte Stadt eine Stadt für alle Bürger sein, dann muss die Politik hier eine Lösung anbieten.

 

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Ein Gedanke zu “Smartes Gelsenkirchen, China-Connection und digitale Zukunft

  1. Warum habe ich immer das Gefühl, dass Ihre Beiträge viel interessanter sind, als das, was ich im Rat von der Verwaltung und der SED Mehrheit höre?

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