Bela B. ist schon lange nicht mehr nur der Schlagzeuger der Berliner Band „Die Ärzte“ – er hat mittlerweile drei Soloplatten veröffentlicht, war als Schauspieler im Kino und im Fernsehen, liest Hörbücher und ist Synchronsprecher. Ab Dezember ist er mit „Sartana – Noch warm und schon Sand drauf“ auf Tour, einer Hörspieladaption des gleichnamigen Italowestern von 1970. Mit Tobias Hauswurz sprach er über seine Faszination für Italowestern, den Unterhaltungswert von Trash und was er gerne mal machen möchte.
Tobias Hauswurz: Wenn man Dich vor 35 Jahren als junger Punk in Westberlin gefragt hätte, ob Du mal irgendwann bei einer Hörspielproduktion von WDR 3, der Kultur- und Klassikwelle, mitmachst – was hättest Du geantwortet?
Bela B.: Erstmal hätte ich den Sender vermutlich gar nicht gekannt, zweitens hätte ich mich gefragt, ob ich dann überhaupt noch lebe – alles jenseits der 30 erschien mir damals nicht lebenswert. Für Dinge so weit in der Zukunft habe ich mich nicht interessiert.
TH: „Sartana“ ist – so würde ich es jedenfalls einschätzen – eine Mischung aus Hommage und Persiflage. Wie würdest Du es nennen, was war die Herangehensweise?
BB: Also von uns aus ist es eine Hommage, keine Persiflage. Das ergibt sich schon aus dem Synchronbuch von Rainer Brandt. Das ist an sich schon so zotig und so witzig, dass man da nichts persiflieren kann. Was die Unterhaltung unserer Version ausmacht, sind die verschiedenen Ebenen: Erstmal ist da ein halbwegs ernst gemeinter Spaghetti-Western, der durch die deutsche Synchronisation etwas völlig anderes wird. Dann haben wir Rainer Brandt als Sprecher, der das Synchronbuch von Sartana damals geschrieben hat, und das alles kommentiere ich als Bela auf einer weiteren Ebene mit meiner Begeisterung und drei Zweiflern um mich herum. Dazu gibt’s dann auch noch Musik, Songs von Peta Devlin, Smokestack Lightnin’ und mir.
TH: Du sprichst die Hauptrolle: Sartana – die coolste Sau, dafür moralisch nicht ganz astrein. Kannst Du Dich mit ihm identifizieren?
BB: Naja, es kommt drauf an: Ich finde super, wie der Typ das Leben sieht und meistert. Da sehe ich schon Parallelen. Dass ich nicht so ein
Arsch bin und mich nicht im Zweifel immer für das Geld und gegen das Gute entscheide, ist auch klar. Aber wer weiß – wenn ich damals
gelebt hätte und es solche Figuren wirklich gegeben hat, wäre ich zumindest lieber Sartana gewesen als Joe Cartwright.
TH: Das Synchronbuch des Films „Sartana“ stammt von Rainer Brandt. Er gilt geradezu als Synchronlegende, hat unter anderem
Bud Spencer und Tony Curtis seine Stimme geliehen und viele deutsche Synchronfassungen geschrieben. Wie schätzt Du seine Bedeutung ein?
BB: Der Synchronsprecher an sich fristet ja ein bisschen ein Schattendasein. Rainer Brandt ist da ganz früh herausgetreten, durch seine Wortschöpfungen, seinen Umgang mit Sprache. Ich bin felsenfest der Meinung, dass er die deutsche Sprache geprägt hat. Ausdrücke wie „Schuss in den Ofen“ sind tatsächlich von ihm und in den normalen Sprachgebrauch übergegangen. Dafür gebührt ihm wahnsinnig viel Ehre. Ich sehe ihn eigentlich auf Augenhöhe mit der legendären Erika Fuchs, der Übersetzerin der alten Donald-Duck-Geschichten, die für ihren Einsatz für die deutsche Sprache sogar das Bundesverdienstkreuz bekommen hat. Das hätte Rainer Brandt auch verdient. Aber seine Sprache kommt den Menschen, die so eine Auszeichnung vergeben, vielleicht nicht so nahe.
TH: Italowestern haben eine ziemlich große Fangemeinde – aber mal abgesehen von Klassikern wie „Spiel mir das Lied vom Tod“ gibt es aber viele Filme, die die meisten Menschen als Schrott abtun würden.Das sind aber gerade die Filme, die Du magst…
BB: Ja klar! Je billiger ein Film war, desto weniger wurde sich da um klassische Westernstereotypen geschert. Wenn kein Geld da war, dann hatten die eben nur drei Pferde und keine Postkutsche, dementsprechend gibt es dann keine große Verfolgungsjagd. Dafür werden aber oft Grenzen überschritten, Italowestern können mich immer überraschen – auch, oder gerade, wenn sie noch so schrottig sind. Trash hat für mich immer einen hohen Unterhaltungswert, aber Sartana würde ich nicht als puren Trash abtun.
TH: Woher kommt die Faszination für das Genre?
BB: Ich war als junger Punk viel im Kino, in Berlin gab es 60 bis 70 Off-Kinos, in denen die ist schon lange nicht mehr nur der Schlagzeuger
der Berliner Band „Die Ärzte“ – er hat mittlerweile drei Soloplatten veröffentlicht, war als Schauspieler im Kino und im Fernsehen, liest Hörbücher und ist Synchronsprecher. Ab Dezember ist er mit „Sartana – Noch warm und schon Sand drauf“ auf Tour, einer Hörspieladaption des gleichnamigen Italowestern von 1970. Mit Tobias Hauswurz sprach er über seine Faszination für Italowestern, den Unterhaltungswert von Trash und was er gerne mal machen möchte. Filme liefen, meistens als Doppelvorführungen. Ich weiß noch, wie ich damals mit Farin Urlaub die beiden „Für eine Handvoll Dollar“-Filme im Kino sehen wollte. Wir waren zu fünft und mussten warten, bis ein sechster Zuschauer kam, sonst wollte der Vorführer den Film nicht starten. Wir haben dann schon überlegt, ob wir einfach jemanden von der Straße holen und ihm die Vorstellung bezahlen. Es sind aber zum Glück noch zwei Leute gekommen.
TH: Als Sartana feuerst Du einen schlechten Spruch nach dem anderen ab. Was ist Dein Lieblingsspruch aus dem Hörspiel?
BB: Das ist wirklich schwierig, da gibt es so viele. Es sind aber eher die kleinen nebensächlichen Dinge wie: „Schicke Tapete hast du da an. Selbst gemalt?“ Bei manchen Sprüchen tut es auch echt schon weh, zum Beispiel: „Wir blasen dir gleich das Licht aus“ – „Wer bläst hier wem einen?“ Da denkt man erstmal: Aua, das kann man doch nicht machen. Aber doch, kann man! Das hat seinen ganz eigenen Charme und Witz.
TH: Musik ist ja ein nicht gerade unwichtiges Element in Italowestern, die Soundtracks von Ennio Morricone sind zum Teil bekannter als die Filme, in denen sie vorkommen. Mit welchem Ansatz seid Ihr, Peta Devlin und Du, an die Musik für „Sartana“ heran gegangen?
BB: Ich habe zuerst mit unserem Regisseur Leonhard Koppelmann überlegt, an welchen Stellen im Buch Songs hin sollen. Dann haben wir eine Themenauswahl gemacht: Was kann drin vorkommen, was sind die Motive, die wir abhandeln müssen? Musikalisch haben wir uns auf Westernmusik gestürzt – Songs wie „Showdown“ oder „Noch warm und schon Sand drauf“ hätten durchaus in klassischen Western vorkommen können. In Italowestern eher nicht, da wurde selten gesungen. Typische Stilmittel daraus haben wir aber auch noch überall eingebaut. André, unser Gitarrist, hat sich das Ergebnis zum Teil zu stumm geschalteten Filmen angehört, um zu testen, was passt und was nicht. Wir adaptieren aber auch das Hauptthema des Films von Bruno Nicolai, der sich im Übrigen nicht hinter Morricone verstecken muss.
TH: Wie wird „Sartana“ dann auf der Bühne aussehen, was erwartet die Zuschauer?
BB: Das ist ein sehr ambitioniertes Projekt. Die beiden Hauptrollen sprechen Peta und ich, andere Rollen werden von Oliver Rohrbeck gesprochen, wenn er Zeit hat. Stefan Kaminski spricht nicht nur die meisten Rollen, sondern stellt ganz nebenbei auch die Geräusche her. Der Mann ist ein Naturereignis. Zwischendurch werden Peta und ich dann die Erzählebene verlassen und die Songs spielen. Die Kommentarebene gibt es auch, an den Stellen ist dann Platz für Erklärungen und Improvisationen mit Publikumsbeteiligung. Um die Story zu veranschaulichen, gibt es Rainer Brandt vom Band und per Film und dann noch Zeichnungen und kleine Animationen von Robert Schlunze, die wir auf eine Leinwand projizieren. Vor uns liegt noch ein Haufen Arbeit, aber wir freuen uns extrem drauf.
TH: Du bist sehr umtriebig, bist Schauspieler, Synchronsprecher, hast Hörbücher gelesen, und spielst ab und zu auch mal Schlagzeug in ‘ner Band: Hast Du Angst davor, dass Zuschauer jetzt vielleicht nur kommen, weil sie die Ärzte lieben und nicht, weil Du ein unterhaltsames Hörspiel gemacht hast oder sie Deine Leidenschaft für Italowestern teilen?
BB: Den Gedanken gibt es hin und wieder, aber von Angst würde ich nicht reden. Prominenz wird irgendwann zu einem Türöffner, womit wir ja auch in der Kommentarebene von „Sartana“ ein bisschen spielen. Einige kommen sicher, weil sie denken: Och, auf den ist immer Verlass. Das finde ich aber nicht schlimm. Es gibt Millionen Menschen weltweit, die blind in einen Tarantino-Film rennen, und er macht trotzdem, was er will. Bei einigen Leuten eröffnet er damit vielleicht Horizonte. Das ist doch eigentlich ganz schön.
TH: Du hast Oliver Rohrbeck erwähnt; er füllt mit Live-Hörspielen der ??? die größten Konzerthallen. Glaubst Du, das Hörspiel erlebt eine neue Blütephase?
BB: Puh, das weiß ich nicht. Ich habe Hörbücher und Hörspiele irgendwann für mich entdeckt, weil ich viel im Auto unterwegs bin und das dabei ein toller Zeitvertreib ist. Sie fordern unsere Vorstellungskraft heraus, und das ist in diesen digitalen Zeiten ein gutes Training für die Sinne, wie ich finde. Mein Freund Oliver Rohrbeck ist mit den ??? natürlich schon deutsches Kulturgut.
TH: In „Sartana“ macht Ihr Witze über seine Abgeklärtheit, er spielt sich so ein bisschen zum Superstar des Hörspiels auf. Da ist ja auch was dran – konntest Du was von ihm lernen?
BB: Olli und ich kennen uns schon aus Punkzeiten von ganz früher. Ich wusste damals gar nicht, dass er Abenteuerkassetten spricht oder Zeichentrickserien synchronisiert. Wenn man mit ihm oder auch Leuten wie Stefan Kaminski im Studio ist, ist das was ganz besonderes. Ich habe sowas ja auch nicht zum ersten Mal gemacht und habe ein gewisses Repertoire, aber solchen Meistern bei der Arbeit zuzuschauen, ist einfach nur ein Fest.
TH: Gibt es, neben allem was Du schon gemacht hast,etwas, das Du unbedingt mal ausprobieren möchtest?
BB: Ich habe keine Wunschliste, keine „things to do before I die“. Mit „Sartana“ bin ich relativ nah dran an einem Western und weiß nicht, ob ich dem noch näher kommen kann. Deutschland ist nun mal trotz Karl May kein Westernland. Außerhalb des deutschsprachigen Raumes kämen dann wohl eher Statistenrollen infrage. Aber ich würde mich auf jeden Fall auch als Kanonenfutter zur Verfügung stellen, wenn es die Gelegenheit dazu gäbe.
„Sartana – Noch warm und schon Sand drauf“
Ein Western-Hörspiel nach dem Synchronbuch zum gleichnamigen Film von Rainer
Brandt. Gesprochen von Bela B., Peta Devlin, Stefan Kaminski, Oliver Rohrbeck u.v.a.
2 CDs, Laufzeit ca. 92 min, VÖ: 29. November 2016