Ein Kommentar von Denise Klein
Fast nonchalant erwähnte Stadtbaurat Christoph Heidenreich in der Pressekonfenz zur Neuvorstellung des „Zukunftsquartiers“, das Bildungszentrum „anfassen“ zu müssen. Aus dieser wagen Formulierung darf man durchaus den Schluss ziehen, dass nach Plänen der Verwaltung der 50-jährige Bau abgerissen werden soll.
Doch vielleicht ist in der Stadtspitze auch die Erkenntnis eingezogen, dass angesichts umwelttechnischer Probleme der markig erscheinende Griff nach der Abrissbirne nicht mehr unbedingt state of the art ist. Das Thema Erhalt und Umbau drängt immer mehr ins Bewusstsein von Bauherren, Architekten und Städteplaner. Aus gutem Grund, sind es vor allem die explodierenden Baukosten, die keine Planungssicherheit mehr versprechen. Die Frage nach Ressourcenschonung wird immer erheblicher. Bauten, Räume und öffentliche Nutzung gedanklich neu anzugehen, ist erst im vergangenen Jahr im sogenannten „Abrissamoratorium“, einem offenen Brief von 170 Erstunterzeichnern verschiedener Architektenverbände und Umweltorganisationen an die Bundesbauministerin Clara Geywitz, konstatiert worden. Sie forderten eine Bauwende und rechnen die schlechte ökonomische und ökologische Bilanz von Abrissen vor.
Ein Grund, das in die Jahre gekommene Haus abzureißen, könnte die schlechte Energiebilanz sein. Das drohende Energieeffizienzgesetz, die Rezession und die gestiegenen Energiekosten lassen gerade klamme Städte wie Gelsenkirchen nicht kalt. Doch muss man hier genau hinschauen, denn die bisherigen „Energieeffizienzklassen“ erfassen nur einen Teil des tatsächlichen Energieverbrauchs. Insbesondere die Graue Energie bleibt unberücksichtigt, also der indirekte Energiebedarf bei Materialabbau, Herstellung, Transport, Bau und Installation eines Gebäudes.
Rund 80 Prozent der beim Bauen entstehenden Schadstoffe stecken in Rohbauten, während eine umfassende Sanierung von Bestandsgebäuden nur ein Fünftel der CO2-Emissionen neuer Bauten verursachen würde.
Der Gelsenkirchener hatte seit je her ein ambivalentes Verhältnis zum Bau des Bildungszentrums. Gerne als Bildungsbunker verspottet war es zur Eröffnung 1972 doch ein Vorzeigeobjekt des renommierten Architekten Harald Deilmann. Es ist ein Kind seiner Zeit. Der Denkmalschutz spielt hier keine Rolle, da zu jung und gestalterisch letztlich auch nicht einzigartig genug. Doch sollte man der Frage nach der Zukunft des Gebäudes mit Bedacht nachgehen. Durchaus könnte es in Zukunft als schützenswert angesehen werden. Dass sich der Blick auf Baubestand ändern kann, haben wir spätestens nach der Wende in Berlin beobachten können. Hier wurden die verschmähten Altbauten aufgekauft, saniert und sind heute die begehrtesten und teuersten Objekte der Stadt.
Das Bildungszentrum atmet den Charme der guten alten Zeit, als es darum ging, Bürger zu beteiligen, sich sozial öffnen, jeden mitzunehmen. Der Reformgedanke findet sich im Sichtbeton, in den Handläufen und der gesamten Anmutung wieder, und es ist ein Teil Gelsenkirchener Geschichte.
Zu hoffen ist, dass Verwaltung und Politik den Bürgerwillen abfragen und die Menschen beteiligen. Zu hoffen ist auch, dass genug Expertise auch von anderen Professionen und Meinungen eingeholt wird, und die Frage ergebnisoffen diskutiert wird.