Initiative ZwischenRaum knüpft Netzwerke
Die Zeit spielt gegen uns, die Schlagzahl ist sportlich, aber davon lebt das Ganze auch!“ – Maik Breilmann ist ganz im kreativen Fluss und begeistert von der Dynamik, welche die erst Mitte Januar von ihm und Hausbesitzer Kim Redlich gestartete „Initiative ZwischenRaum“ im Haus Hagenstr. 32 in Buer bereits entwickelt hat.
Wo 50 Jahre lang Egon Gwiasda hinter der Theke seines legendären Ladens voller Skurrilitäten und stylischer Wohnaccessoires stand, gähnt nach dessen Schließung nun nicht etwa ein weiteres der vielen leeren Ladenlokale unserer Stadt. Stattdessen pulsiert hier eine lebendige Pop Up-Galerie, in der Künstlerinnen aus Gelsenkirchen und der Region im schnellen Wechsel ihre Werke zeigen. Für Kim Redlich, dem im Quartier an der Hagenstraße sechs Immobilien gehören, ist der wachsende Leerstand wie so vielen ein Dorn im Auge. Daher die Idee der Initiative ZwischenRaum, welche Ladenlokale sinnvoll nutzen will, anstatt sie brach liegen zu lassen, um so „das Stadtbild ein Stück weit zu retten“. Künstlerinnen wollen ausstellen, dafür fehle ihnen aber oft der Raum. Deshalb erzeuge die Galerie auf Zeit gleich neben Crêperie und werkstatt e.V. eine „Win-win-win-Situation“. Noch bis Ende Februar werden in diesem „Experimentierkarton“ neue Möglichkeiten kreativer Zusammenarbeit erprobt. Immer donnerstags ist „Wechseltag“, dann wird das bereits Gezeigte ab- und Neues aufgehängt, um dann am Wochenende, wenn die meisten Menschen sich aufmachen, Kultur zu genießen, im Rahmen von Vernissagen mit Musikprogramm präsentiert zu werden. Das Besondere bei diesem Konzept: Oftmals sind die Künstlerinnen auch anwesend und steigen gern in den Dialog mit den Besucherinnen ein.
Als Hausbesitzer und Investor ist Kim Redlich glücklich, in dem Bueraner Designer Maik Breilmann einen erfahrenen Netzwerker gefunden zu haben. Der 49-Jährige, der 2000 in Münster sein Diplom machte, kennt das Konzept der kreativen Zwischennutzung von Ladenlokalen bereits aus seiner Studienzeit. Heute gestaltet er in einem über Jahre aufgebauten Netzwerk von Kreativen unter anderem virtuelle Messen und Logodesigns. Eine One-Man-Show war er noch nie, betont Breilmann, und so steht auch bei der Initiative ZwischenRaum der Netzwerkgedanke ganz weit vorne.
Über 20 Bewerberinnen umfasst der Künstlerpool bereits (auch die Brücke ins Kreativ.Quartier Ückendorf ist längst geschlagen), und schon jetzt ist klar, dass bis Ende Februar an der Hagenstraße nicht mehr alle zum Zuge kommen werden. Doch die Idee soll weiterleben und auch definitiv nicht auf Buer beschränkt bleiben. Initiativen der Zwischennutzung sind eine schon vielerorts erprobte Idee, auch in Gelsenkirchen ist sie alles andere als unbekannt. Doch während die meisten solcher Initiativen mehr oder weniger Eintagsfliegen bleiben, wollen Redlich und Breilmann langfristig ein qualitätvolles Portfolio aufbauen. ZwischenRaum soll auf professionellen Beinen stehen und Immobilien-Besitzerinnen attraktive Angebote machen können nach dem Motto: „Tu ‚was Gutes für die Kunst und – Choose your artist!“ Je nach Raum soll entschieden werden können, was dort am besten zu präsentieren wäre: Malerei, Grafiken, Skulptur, Klangkunst, Audio, Taktile Kunst – schon jetzt kann die Initiative ZwischenRaum das alles anbieten. Und das bildet sich auch im Raum an der Hagenstraße ab:
„Durch die hohe Fluktuation wirkt der Raum jede Woche ganz anders. Heute morgen hingen hier noch ganz andere Bilder und vermittelten ein anderes Raumgefühl. Gleich werden hier Fotografien aufgehängt, die wieder eine andere Atmosphäre schaffen, das ist hochspannend!“
Maik Breilmann
Für ihn ist im Übrigen wichtig: „Ich bin kein Galerist, und es steht für mich persönlich nicht im Vordergrund, Werke zu verkaufen, sondern vielmehr diesen Raum mit Kultur zu füllen und Menschen zueinander zu bringen. Das ist auch keine klassische Galerie, die für Künstler ein Komplettprogramm anbietet. Jeder soll sich hier selbst in Szene setzen, seine Reichweite nutzen und auch bitte seinen eigenen Kreis mitbringen. So ein Projekt lebt vom Machen!“
Um Mitmacher, Unterstützer und Sponsoren ist die Initiative nicht verlegen, so stiftete die Bueraner Agentur ecus media die Beschriftung der Schaufenster, und der Geschäftsführer der ebenfalls hiesigen Möbelmanufaktur Raumwerk zeigt nicht nur seine eigenen Reliefarbeiten an der Hagenstraße, sondern stellte auch einen kapitalen, 350 Kilo schweren Baumscheibentisch zur Verfügung. Der habe sich auch nicht von allein hierher getragen, merkt Breilmann dankbar an. Beide Initiatoren sind begeistert, welche Synergien das Projekt bei einem Budget von praktisch null Euro bereits freigesetzt habe. Beflügelt durch Spaß, Passion und die Liebe zur Kunst könnte daraus auch ohne weiteres ein Vollzeitjob werden.
Dynamisches Kreativlabor
Apropos Geld: Auch wenn ein Kontakt zum Referat Kultur besteht – eine konkrete Förderung seitens der Stadt gibt es bisher nicht. Doch im Augenblick schätzt Investor Redlich diesbezüglich gerade die Unabhängigkeit:
„Die Hagenstraße ist im Stadtplanungskonzept für Gastronomie und alternative Einzelhandelskonzepte als förderungswürdig ausgewiesen. Und indem ich hier eigenes Geld investiere, bespiele ich ja genau das, gehe also in die Richtung der Stadt, und ich hoffe natürlich, dass das bei der Stadt auch gesehen und unterstützt wird.“
Kim Redlich
Dies sagt Redlich auch und gerade in Hinblick auf die bereits feststehende Folgenutzung des Ladenlokals. Bald werden hier in wertigem Ambiente originale „Berliner Döner“ angeboten. Dafür wird der Raum ab März saniert, aber weitestgegend im Original erhalten. Die alten Holzdielen sollen aufgearbeitet und die prägnanten Holzfenster durch identische Fenster in Doppelglas „remplaciert“ werden. Redlich will sichtbar machen, was wertvoll ist und alten Stil hat.
Und wie geht’s dann mit der Initiative ZwischenRaum weiter? Nachdem man hier in „Egon’s Laden“ bereits viele „Learnings“ etwa beim Auf- und Abbau und mit der Technik gehabt habe, werde die Galerie in Zukunft definitiv in neue Räume vorstoßen. Leere Ladenlokale gebe es ja viele, und es würden praktisch jeden Tag mehr. Doch nicht alle würden sich für jede Art von Kunst eignen. Eine gewisse Größe und Helligkeit seien schon Voraussetzung. Allerdings findet Redlich es wichtig, wenn man: „nach einer solchen Portion Experimentiererei erstmal sacken lässt, in die Innenenschau geht, sich sortiert, und dann überlegt, wie geht’s weiter. Wir wollen nicht von einem Laden in den nächsten hüpfen.“
Man darf also gespannt sein!
Infos zum ständig wechselnden Programm auf: www.initiative-zwischenraum.de