Minigolf-Report

Was Sie schon immer über Minigolf wissen wollten

Eine Reportage von Horst Wnuck

Wie alles begann

Im letzten Jahrtausend hatte ich mal in einem Wald bei Hünxe Minigolf gespielt. Dort gab es eine Anlage, die frei zugänglich war und nicht besonders gepflegt oder betrieben wurde. Das erwähnte ich mal beiläufig, als ich dort in der Nähe vorbeifuhr. Als ich schon längst nicht mehr daran dachte, bekam ich überraschend zum Geburtstag einen Minigolfschläger und einen Ball geschenkt. Also ging es umgehend in diesen Wald, doch dort gab es seit 20 Jahren keine Minigolfbahn mehr. Auf dem Grundstück befindet sich heute eine Schule für Rettungshunde. Die Minigolfbahn musste weichen und wurde nach Süddeutschland verkauft. Doch ich hatte ja nun meinen Schläger und wollte damit natürlich auch spielen.

Als ich begann, mich über Minigolf zu informieren, traute ich zunächst meinen Augen nicht. Die amtierende Weltmeisterin in einer der beliebtesten Sportarten in Deutschland kommt aus Castrop-Rauxel, und die nächste Senioren-Weltmeisterschaft findet in Wanne-Eickel statt. Und ein Weltmeister ist sogar Gelsenkirchener! Ich dachte nur: Das glaubt dir doch wieder kein Mensch.

Aber jetzt erstmal der Reihe nach: Was genau ist eigentlich Minigolf und wo kommt das denn überhaupt her?
Minigolf ist eine Präzisionssportart, die mit Schläger und Ball gespielt wird. Es ist wohl in den 1920er Jahren in den USA und Großbritannien aus dem Golf entstanden. Hier gab es zu Trainingszwecken Bahnen, die die letzten Meter beim Golf simulieren sollten. Diese Bahnen wurden dann mit kleinen Fantasie-Hindernissen versehen und breiteten sich zunächst schnell dort aus, wo auch Golf gespielt wurde, später aber auch unabhängig vom Golf als Freizeitvergnügen an vielen Orten. Einer der skurrilsten war wohl die Dachetage des Berliner Eden Hotels. Hier waren die Minigolfbahnen kurzzeitig der letzte Schrei, mit dem sich die mitunter illustren Hotelgäste die Zeit vertrieben.

Bahn Nr. 1 auf der Minigolf-Anlage am Bulmker Park (genau gesagt: im Burgers Park). Seit den 1960er Jahren spielt hier auch Gelsenkirchens heute einziger Minigolf-Verein.

Wer hat’s erfunden?

In den 1930er und 1940er Jahren verebbte dann der Boom wieder, bis der Schweizer Gartenarchitekt Paul Bongni am Nordufer des Lago Maggiore eine Minigolfanlage mit genormten Bahnen entwickelte und baute. Die Eröffnung in Ascona fand im März 1954 statt. Schon einen Monat später gab es im Nachbarort Locarno bereits die zweite Anlage nach dem System Bongni. Die von Bongni unter dem Namen Minigolf als Patent angemeldete und in Lizenz vertriebene Anlage verbreitete sich schnell und ist das Vorbild der klassischen Betonbahnen, wie wir sie noch heute vielerorts finden. Erst durch diese Standardisierung wurden die Ergebnisse vergleichbar, und es konnte sich ein sportliches Wettkampfsystem entwickeln.

Der Begriff Minigolf, der heute meist als Sammelbegriff für alle Arten des Bahnengolfs benutzt wird, ist im engeren Sinn streng zu unterscheiden vom Begriff Miniaturgolf. Mit Miniaturgolf wird ein zweites Bahnensystem bezeichnet, dass vom Hamburger Unternehmer Albert-Rolf Pless unter Mithilfe einer Kunsthochschule entwickelt wurde. Die erste Miniaturgolfbahn wurde 1956 in Hamburg errichtet. Zum Minigolf System Bongni gibt es zahlreiche Unterschiede. Die Bahnen sind aus Eternit und beim Spielen entsteht deshalb oft ein klack-erndes Geräusch. Zudem sind sie transportabel, schmaler und kürzer genormt sowie mit anderen Hindernissen versehen. Diese Bahnen dürfen im Gegensatz zu den Betonbahnen beim Spielen nicht betreten werden. Und es gibt hier 28 verschiedene Bahnen, von denen 18 vorhanden sein müssen. Bei Miniaturgolfanlagen ist die Reihenfolge der Bahnen im Gegensatz zum Minigolf nicht vorgeschrieben.

Beide Bahnformen, die auch als Abteilung 1 und 2 bezeichnet werden, sind weit verbreitet und dominieren gemeinsam das Bahnengolf-Geschehen. Zunächst herrschte eine Art Konkurrenz zwischen den Systemen und es fanden getrennte Meisterschaften statt. Wer nicht oft Minigolf spielt und sich bisher mal gefragt hat, wieso sich die Bahnen zwar ähneln, aber doch irgendwie manchmal bestimmte Hindernisse fehlen, hat nun jedenfalls die Antwort. Meisterschaften werden heute auf beiden Bahntypen ausgetragen.

In jüngerer Zeit ist aus Skandinavien ein dritter Typ hinzugekommen, die Filzgolfbahn. Auch auf diesen Bahnen, die mit grünem Filzbelag ausgestattet sind und ein achteckiges Zielfeld besitzen, wird mittlerweile, aber deutlich seltener, Bundesliga gespielt.
Ein Ligaspieltag findet heute also wechselnd auf Beton, Eternit oder Filz statt, und deshalb werden die Ligen auch als Kombiligen bezeichnet. Die Top-Spieler*innen müssen jedenfalls mit allen Bahnen klar kommen.

Als wäre das nicht schon kompliziert genug, gibt es daneben noch einige weitere Abwandlungen. So finden sich noch die vom Weltverband in der Rubrik Open Standard zugelassenen Bahnen. Hierunter fällt etwa Adventure Golf. Diese Bahnen sind grade ziemlich angesagt. Sie sehen eher aus wie Golf-Parcours im Miniaturformat und sind meist auf Kunstrasenbasis angelegt. Diese Form des Minigolfs ist in den USA und Großbritannien stark verbreitet. Zudem gibt’s noch die sehr selten gespielten Varianten Sterngolf, bei dem das Zielfeld der letzten Bahn einen Stern nachbildet oder Cobigolf, das ähnlich dem Croquet mit kleinen Törchen als Hindernissen ausgestattet ist.
Im reinen Freizeitbereich wird in Indoor-Anlagen seit neuestem sogar Schwarzlichtgolf angeboten. Eine Kombination aus Adventure- und Schwarzlichtminigolf findet sich in Gelsenkirchen im Alma Park. Und dann gibt es noch das Spiel Pit-Pat, eine Mischung zwischen Minigolf und Billard, das mit einem Queue auf Tischen gespielt wird, die in Form von Minigolfbahnen gestaltet sind. Höhepunkt dieses Spiels war es wohl, dass es mal in der Sendung „Schlag den Raab“ präsentiert wurde.

Die umfangreichen und bestens gepflegten Anlagen des Minigolf-Clubs Rot-Weiß Wanne-Eickel bieten alles, was das Spieler*innenherz begehrt.

Beliebter als Fußball?

Nach Angaben des Deutschen Minigolfsport Verbands (DMV) werden in Deutschland etwa 2.000 Minigolfanlagen betrieben. Es sollen sogar mal rund 3.000 gewesen sein. Hunderte von Minigolfbahnen rotten also überall quer durch die Republik vor sich hin. Dennoch behauptet der DMV, dass „keine andere Sportart in Deutschland so häufig betrieben wird wie Minigolf.“ Nach diesen Angaben spielen jährlich 20 Millionen Menschen im Jahr Minigolf. Demnach wäre Minigolf tatsächlich der Volkssport Nummer 1. Auch unabhängig von den Einschränkungen durch Corona darf diese Zahl wohl bezweifelt werden, aber auch das Gegenteil lässt sich nicht beweisen. Und tatsächlich hat wohl die Mehrzahl aller Menschen irgendwann im Leben schon mal Minigolf gespielt.

Die Regeln

Ich hatte jedenfalls vor über 20 Jahren zuletzt Minigolf gespielt und konnte mich noch dunkel daran erinnern, als Kind mal auf einer Bahn gespielt zu haben, auf der noch bemalte Autoreifen als Hindernisse dienten. Und deshalb musste ich mich zunächst auch mit den Regeln befassen. Dabei hatte ich das Glück, dass bei meinem ersten Spiel mit meinem neuen Schläger ein erfahrener Vereinsspieler eine Bahn hinter mir spielte, der mir bei Regelunklarheiten freundlich weiterhalf.

Asse und Ottos

Der Ball muss mit möglichst wenigen Schlägen ins Ziel gebracht werde, so viel war klar. Alle 18 Bahnen müssen so konstruiert sein, dass diese Aufgabe theoretisch mit einem Schlag gelöst werden kann. Gelingt dies, so wird es Ass genannt. Pro Bahn sind sechs Schläge erlaubt. Wer es nicht schafft, mit sechs Schlägen einzulochen, bekommt sieben Punkte angeschrieben. Dies wird Otto genannt, was historisch begründet sein soll, weil früher mal sieben Schläge erlaubt waren und beim Scheitern acht Punkte notiert wurden. Die italienische Übersetzung von acht lautet otto. Um es vorweg zu nehmen: Ich habe bei meinem ersten Spiel weder ein Ass noch einen Otto gespielt.

Im Gegensatz zum Golf ist das Spiel mit der Bande beim Bahnengolf ausdrücklich gestattet und sogar oft nötig. Ist ein Hindernis überwunden, wird von da weitergespielt, wo der Ball liegen bleibt. Ansonsten muss der Ball wieder vom Abschlag gespielt werden. Bleibt der Ball nahe an der Begrenzung liegen, darf er entsprechend der Markierung abgerückt werden. Verlässt ein Ball die Bahn, wird er dort wieder eingesetzt, wo er die Bahn verlassen hat. Die Bahnen müssen in der nummerierten Reihenfolge gespielt werden, und das Rauchen während des Wettkampfs ist laut Internationalen Spielregeln ausdrücklich verboten. Diese Regel war mir bei meinem Spiel nicht bekannt und verwunderte mich im Nachhinein, da die meisten Bahnen, die ich bei meinen Recherchen besuchte, mit Aschenbechern ausgestattet waren. Genauso übrigens wie mit den typischen Ablageständern für die Spielkarte, auf der nach jeder Bahn die Punktzahl notiert wird.

Hochburg Ruhrgebiet

Was mich aber am meisten überraschte war die Tatsache, dass das Ruhrgebiet eine echte Minigolf-Hochburg ist – ein zumindest vor mir bisher gut gehütetes Geheimnis. Ich wusste wohl, dass es im Ruhrgebiet über 30 Golfplätze gibt, die Anzahl von etwa 100 Möglichkeiten, im Ruhrgebiet Bahnengolf zu spielen, überraschte mich dennoch. Insgesamt 24 dieser Bahnen hier sind vom Weltverband offiziell für den Turnierbetrieb zugelassen, davon elf auf Beton, sieben auf Eternit und nur eine auf Filz. Eine Filzbahn gibt es neben einer Beton- und einer Eternitbahn nur in Wanne-Eickel, das damit als sowas wie das Mekka des Minigolfs im Ruhrgebiet angesehen werden kann. Das musste ich mir natürlich sofort ansehen und war beeindruckt. Die gesamte Anlage wirkt wie eine Fußballarena, nur dass ein Großteil des Platzes von Minigolfbahnen eingenommen wird. Der Vereinspavillon erinnert eher an einen großzügigen Bungalow als an eine dieser Bretterbuden, die von vielen Freizeitanlagen bekannt sind. Sogar eine Tribüne mit 32 Sitzplätzen ist vorhanden. Die Anlage ist offizielles Leistungszentrum und irgendwie strahlt sie dies auch aus.

Der Vulkan von Wanne-Eickel

Mit einem sportlichen „Gut Schlag!“ komme ich mit einem Spielertrio ins Gespräch. Ich stelle die Fragen eines Laien und lasse mir berichten, dass die Beton-Bahnen nur als Bahn 1 bis 18 bezeichnet werden, auch wenn sich sowas wie Wellen, ein Wassergraben, oder der Vulkan finden lassen. Ein Spieler berichtet, er habe mal auf einer Bahn gespielt, in der im Wassergraben tatsächlich Wasser war, statt wie sonst heute meist Kieselsteine. Auch beim Miniaturgolf auf Eternit gibt es eine Bahn mit der Bezeichnung Vulkan, sie unterscheidet sich aber erheblich von dem Vulkan der Betonbahn. Die Bahnen mit den Bezeichnungen Salto oder Blitz gibt es hingegen ausschließlich auf Eternit. Beim Salto läuft der Ball durch einen Looping, der Name Blitz bezieht sich auf die Form der Bahn. Der Bahnrekord auf der Betonbahn liege bei 19 Schlag, ausschließlich Asse seien noch niemandem gelungen.
Nicht ohne Stolz wird mir berichtet, dass die Nationalmannschaft hier sehr gerne zu Gast ist. 2020 war schon alles vorbereitet zur Ausrichtung der Senioren-Weltmeisterschaften mit Gästen aus der gesamten Minigolf-Welt. Doch dann kam Corona und der Event wurde schon zweimal verschoben. Nun soll er im August 2022 starten.
Was noch fehlt ist eine Spitzenmannschaft, momentan spielt Wanne-Eickel nur in der Bezirksliga. Die Region ist mit Wesel, Bochum und Castrop in der 2. Bundesliga vertreten, Bottrop spielt in der 3. Liga. Dazu kommen 20 Teams, die sich irgendwo zwischen der Landesliga und der Kreisliga tummeln. Der Spielbetrieb ruht derzeit seit Beginn der Corona-Pandemie.

Die amtierende Minigolf-Weltmeisterin Stefanie Blendermann aus Castrop-Rauxel hat durch ihren Sport die Welt kennen gelernt und lebt heute in der Schweiz. (Foto: privat)

Die Weltmeisterin aus Castrop-Rauxel

Dann staunte ich nicht schlecht, als ich feststellte, dass die amtierende Minigolf-Weltmeisterin aus Castrop-Rauxel stammt.
Exklusiv für die isso. durfte ich mit Stefanie Blendermann über Minigolf plaudern. Sie gewann neben vielen anderen Titeln den Einzelwettbewerb bei der letzten WM, die 2019 in China stattfand. Dies gelang ihr nach 2011 in Schweden und 2015 in Finnland bereits zum dritten Mal. Kindheit und Jugend verbrachte die 37-Jährige in Castrop-Rauxel, wo sie auch zum Minigolf kam und anfangs auch im Verein spielte. Die Liebe (zu einem Minigolfweltmeister) verschlug sie in die Schweiz, wo sie seit zehn Jahren lebt. In der Bundesliga spielt sie für Mainz.
Mich interessiert, wie das Training auf Weltniveau so aussieht. „Das Wichtigste ist es, Bahnen zu spielen. Anfangs spielt auch das Üben der Schlagtechnik eine große Rolle. Und natürlich ist auch eine gewisse körperliche Fitness von Bedeutung, um die langen Wettkämpfe, die sich mitunter von morgens bis abends hinziehen, konzentriert zu überstehen“, erklärt sie mir.
Sie hält sich mit Tae Bo fit und gibt dazu auch Workshops. In der Schweiz schaut sie sich gerne Eishockey an. Es wird ja immerhin auch mit einem Schläger gespielt. Das ist aber auch schon die einzige Gemeinsamkeit. Das Schieben des Balles ist beim Minigolf übrigens nicht erlaubt.
Mich interessiert, wieso die Wettkämpfe eigentlich nach Frauen und Männern getrennt durchgeführt werden, weil ich eigentlich keinen Grund dafür erkennen kann. „Gute Frage, genau beantworten kann ich das auch nicht. Bei der WM wäre es wohl so, dass unter den Besten zehn, zwölf Aktiven vermutlich nur zwei bis drei Frauen landen würden. Es könnte daran liegen, dass insgesamt weniger Frauen Minigolf spielen als Männer und daher die Leistungsdichte bei den Frauen nicht ganz so hoch.“
Leben kann sie selbst als Weltmeisterin nicht vom Minigolf. Aber sie hat bei den internationalen Wettbewerben schon viele Länder kennengelernt, wie zuletzt China. Sie vertreibt eine Kollektion von Balltaschen, und ihr Erfolg sowie ihr Name in der Szene sind ihr dabei natürlich nicht hinderlich. Sie will mit ihren Taschen auch zur WM nach Wanne-Eickel kommen, um dann auch ihre Familie im Ruhrgebiet endlich mal wieder zu sehen. Hier ist sie sehr willkommen, denn „die Steffi ist schwer in Ordnung“, ließ mich auch das Spielertrio in Wanne-Eickel wissen.
Nachdem ich mir kurz klar gemacht hatte, dass ich tatsächlich zum ersten Mal in meinem Leben mit einer echten Weltmeisterin gesprochen hatte, und dann auch noch in der Volkssportart Nummer 1, beschloss ich, die Minigolfbahnen in Gelsenkirchen unter die Lupe zu nehmen.

In bestem Zustand präsentiert sich die Anlage am Löwenpark in Buer an der Stadtgrenze zu Herten . . .
. . . während die nahe des Berger Sees schon bessere Tage gesehen hat.

Minigolf in GE

Ich starte am Löwenpark. Seit 2012 lag die früher sehr beliebte Anlage an der Stadtgrenze zu Herten still. Sie war in einem verwahrlosten Zustand bis sie von Marek Diakowski entdeckt und wachgeküsst wurde. Der neue Bahnbetreiber, der auch die Miniaturgolfanlage an der Mollbeck in Recklinghausen betreibt, lag dem Eigentümer Carlo Graf von Westerholt so lange in den Ohren, bis dieser nachgab und es sich dann bei der feierlichen Wiedereröffnung 2019 nicht nehmen ließ, den ersten Schlag zu machen. Natürlich mit einem eigens dafür angefertigten goldfarbenen Ball, wie es heißt.
Ich bin erneut überrascht und wirklich beeindruckt. Die Bahnen sind zwar nicht zum Turnierbetrieb zugelassen, was aber wohl kein ein Problem wäre, denn sie sind in einem wirklich sehr guten Zustand. Es ist hier tatsächlich gelungen, den Charme aus früheren Zeiten in die heutige mitzunehmen. Derzeit liegt die Bahn wegen Corona wieder still, aber Marek Diakowski nutzt die Zeit, um es hier noch netter zu machen. Obwohl schon einige Vereine bei ihm angefragt hätten, betreibt er die Bahn als reine Freizeitanlage, weil er nicht möchte, dass seine Gäste vor den Vereinsspielern zurückstecken müssten, wie er sagt. Als ich mir die Bahn ansah, war übrigens niemand dort und der Zugang war frei. Es wäre wohl möglich gewesen, einfach mal mit meinem neuen Schläger ein paar Bahnen zu spielen. Aber falls sie dies nun vorhaben und erwischt werden, denken Sie bitte dran: In der isso. haben Sie darüber nie was gelesen.

Erwartungsvoll steuere ich die nächste Anlage an, es ist die Anlage an der Ecke Emil-Zimmermann-Allee/Adenauerallee bei der Feuerwache auf halbem Weg zwischen Schloss Berge und dem Parkstadion. Auch hier steht das Tor weit offen, also sehe ich mir auch hier alles genau an. Und was ich sehe, gleicht eher einem Lost Place als einer Sportstätte. Es sind zwar noch alle 18 Bahnen vorhanden, aber das ist auch schon das Positive, was es zu berichten gibt. Die Steine sind lilafarben angemalt, und bespielbar sind längst nicht mehr alle Bahnen. Der Zielkreis beim Weitschlag (Sie sehen, langsam bin ich mit der Terminologie vertraut) steht 20 Zentimeter unter Wasser. Es ist Regenwasser, nicht etwa ein spannendes Hindernis beim Adventure-Golf. Diese Anlage hat den umgekehrten Weg wie die am Löwenpark hinter sich. Bis vor etwa zehn Jahren gab es hier noch einen Verein, der auch am Spielbetrieb teilnahm, doch der hat sich augenscheinlich längst aufgelöst. Es werden sich einige Geschichten über die Anlage erzählt. So soll sie mal für einen Euro zum Kauf gestanden haben. Selbst das hat aber wohl nicht funktioniert.

Meine nächste Station heißt Nienhauser Busch. Hier im Revierpark finde ich eine durchgängig feuerrot lackierte Miniaturgolfbahn, eine reine Freizeitbahn, wie mir der Betreiber vor Ort mitteilt. Im Sommer sei es hier oft „brechend voll“, aber seit Beginn der Corona-Pandemie habe man geschlossen. Wann es weitergeht steht auch hier noch in Sternen. Die Regelungen schienen ihm lange Zeit verwirrend, da habe er lieber gleich zu gemacht.

Auf feuerrot lackierten Bahnen ließe sich im Gesundheitspark Nienhausen Miniaturgolf spielen – wäre nur Corona nicht.

Corona

Überhaupt ist Minigolf in Zeiten von Corona eine Geschichte für sich. Eigentlich liegt der Gedanke nahe, dass Minigolf als Sport unter freiem Himmel und mit der Möglichkeit, zu enge Kontakte zu vermeiden, perfekt dazu geeignet ist, auch in Zeiten der Pandemie gespielt zu werden. Jedenfalls erscheint die Übertragungsgefahr nicht so hoch wie etwa beim Fußball. Das dachte sich auch eine Anlagenbetreiberin in Niedersachsen. Sie sah eine Ungleichbehandlung und klagte erfolgreich auf Wiedereröffnung ihrer Anlage. Im Ruhrgebiet gab es von Stadt zu Stadt unterschiedliche Handhabungen. Während in Gelsenkirchen kein Minigolf gespielt werden konnte, war es noch Anfang April in Bochum sowohl im Stadtpark als auch in Langendreer kein Problem, Minigolf zu spielen. Doch auch damit ist nun vorerst Schluss, denn in der ab 19. April gültigen Corona-Schutzverordnung wird das Minigolfspielen in NRW ausdrücklich untersagt. Welche Auswirkungen das bundesweite Infektionsschutzgesetz nun für das Minigolfen hat, bleibt abzuwarten.
Mein letzter Besuch gilt der lauschigen Anlage des einzigen verbliebenen Minigolfvereins in Gelsenkirchen. Der 1. MGC Gelsenkirchen 1961 spielt auf der Betonbahn am Bulmker Park.
Gut 30 Mitglieder zählt der Verein, davon 22 Aktive, lasse ich mir berichten. Die Mannschaft spielt in der untersten Klasse, der Kreisliga. Der monatliche Mitgliedsbeitrag beträgt elf Euro. Das könnte sich lohnen, denn auf den Anlagen, die ich inspiziert habe, liegt der Preis für eine Runde Minigolf zwischen 3,50 und 4 Euro. Der Betreiber ist Vereinsmitglied und spielt auch selbst aktiv Minigolf. Auch diese Anlage wird besonders bei gutem Wetter stark von Park-Besuchern frequentiert. Aber auch Spitzenspieler spielen gerne hier, wie etwa beim Bulmker-Park-Cup, da sie als leichte Bahn gilt, auf der sich entsprechend gute Ergebnisse erzielen lassen. Der Beton wurde seit 1961 nicht behandelt, wie sonst oft üblich, so wird es mir erklärt.
Im Gehen frage ich noch nach den größten Erfolgen des Vereins oder nach besonders guten Spielern. Ich kann es nicht glauben, als ich knapp zur Antwort bekomme: „Ja klar, wir haben doch unseren Weltmeister, den Ralle.“ Das darf doch nicht wahr sein, denke ich. Wieso weiß ich davon nichts?

Der Gelsenkirchener Christian Zielaff wurde 2014 in Finnland Jugendmannschaftsweltmeister und 2017 in Kroatien Mannschaftsweltmeister im Adventure-Golf. Und Schalke-Fan ist er natürlich auch. (Foto: privat)

Gelsenkirchener Weltmeister

Ralle, das ist der Spitzname von Christian Zielaff. Neben vielen anderen Titeln wurde er 2014 in Finnland Jugendmannschaftsweltmeister und 2017 in Kroatien Mannschaftsweltmeister im Adventure-Golf, also auch hier ganz großes Minigolf. Ich unterhalte mich mit dem 24-Jährigen, der nur fünf Gehminuten von der Anlage in Bulmke entfernt wohnt. Hier begann er auch mit dem Minigolf, noch heute ist er 2. Vorsitzender des Vereins. Zunächst wechselte er nach Wesel, weil er dort in der 2. Bundesliga spielen konnte. Als der Aufstieg knapp verfehlt wurde, wechselte er schließlich nach Göttingen in die Bundesliga. In Wesel ist er heute noch ehrenamtlich als Jugendwart tätig.
Er erzählt mir von der WM in Kroatien, an der auch die Elite der US-Adventure-Golfer teilnahm. In den USA werden Turniere veranstaltet, bei denen Preisgelder von 5.000 Dollar an die Sieger ausgeschüttet werden. Davon kann er als Minigolfer in Europa nur träumen. Dennoch freut er sich über Annehmlichkeiten, die er seinen Leistungen im Minigolf verdankt.
Hierzu zählt er die vom Verband finanzierten Wettkampfreisen oder die Hotelaufenthalte vor Auswärtsspielen, die der Verein bezahlt, aber auch ein Minigolfmatch, dass er im Wahlkampf mit Kevin Kühnert und Oberbürgermeisterin Karin Welge absolvierte. Viele Dinge, die er ohne Minigolf vielleicht nie erlebt hätte. Auch zu einem Starball mit seinem Namen hat er es schon gebracht (siehe unten).
Er hatte schon ein Angebot eines österreichischen Bundesligavereins, doch er ist ein Ruhrpott-Junge und sagte ab. Stattdessen träumt er von einer Minigolf-Anlage vor Industriekulisse und natürlich, so sagt er mir, ist er als Gelsenkirchener auch Schalke-Fan.

Ein lauschiges Plätzchen ist die Minigolfanlage von 1961 am Bulmker Park (im Burgers Park).

Zweite Liga?

Wer nun behauptet, Schalke sei in den letzten Jahren geführt worden wie ein Minigolf-Verein, tut wohl eher den Minigolfern*innen unrecht. Auch die Empfehlung an die Schalker Spieler: „Spielt lieber Minigolf!“ läuft ins Leere, denn so einfach ist das alles gar nicht mit dem Minigolf. Spötter könnten auf die Idee kommen, die Arena jetzt nach dem Abstieg in die 2. Liga in eine Minigolfbahn umwandeln zu wollen. Das alles geht Zielaff zu weit, doch eine Minigolf-Abteilung von Schalke 04, das wäre schon was. Aber immerhin hat Gelsenkirchen ja noch einen bundesligatauglichen Sportler: den Minigolfer Christian Zielaff.

Es gäbe noch viele Anekdoten zu erzählen, die ich bei meiner Reise durch das Minigolf-universum zwischen Kreis- und Weltklasse aufgeschnappt habe, wie etwa die von dem zehnjährigen Jungen aus Mailand, der 1961 in Traben-Trabach, wo die erste Minigolfbahn in Deutschland errichtet wurde, bei der ersten Europameisterschaft gewann, oder von einem über 90-Jährigen, der immer noch in der Liga spielt, aber ich muss diese eigentümliche Parallelwelt zwischen Freizeitvergnügen und Leistungssport nun langsam wieder verlassen.
Ich grübele noch, ob es nicht besser wäre, eine einheitliche Bahn zu entwickeln, die allen gerecht wird, doch der Weltverband, der seit 1991 die WM ausrichtet, scheint bereits auf einem guten Weg, um die verschiedenen Arten des Bahnengolfs irgendwie unter einen Hut zu bringen. Es gibt sogar die vage Hoffnung, dass Minigolf vielleicht irgendwann mal olympisch werden könnte.
Und wer kann schon wissen, ob dieser nerdig wirkende Sport, dem ein piefiger Ruf mit Schrebergartenklischee anhängt, nicht bald schon als neuester Hype durch die Decke geht? Schrebergärten sind schließlich auch groß in Mode, und wer hätte vor ein paar Jahren schon gedacht, dass es mal sowas wie millionenschwere eSports-Profis geben würde? Wenn ich Adidas oder Puma wäre, würde ich jedenfalls vorsichtshalber schon mal ein paar Minigolf-Asse unter Vertrag nehmen.
Bevor ich dies alles schrieb, habe ich mit meinem neuen Schläger ahnungslos meine Runde gespielt, einfach mal so, in Bochum. Meine Punktzahl entsprach zufällig genau der Zahl meines Geburtstages, zu dem ich ja den Schläger geschenkt bekommen hatte. Natürlich war ich neugierig, wie ich so stehe mit meinem Ergebnis. Also wälzte ich stundenlang Ergebnislisten und Statistiken und siehe da: Ein zweiter Platz unter den Hobbyspielern meiner Altersklasse bei den Herner Stadtmeisterschaften wäre wohl durchaus im Bereich des Möglichen.
Und dann entdeckte ich per Zufall das Unglaubliche: Das Minigolf-Leistungsabzeichen in Gold – ja auch sowas gibt es – verlangt in meiner Altersklasse exakt die von mir gespielte Rundenzahl auf einer Betonbahn. Ich hätte also bestanden. Und dieses Minigolfabzeichen ist offiziell als Teil des Deutschen Sportabzeichens in Gold anerkannt. Meine Minigolfrunde entspricht demnach in meiner Leistungsklasse einem 10-km-Lauf in 67:40 Minuten oder einem 50-Meter-Lauf in 8,5 Sekunden oder 7,50 Meter im Kugelstoßen oder 4,20 Meter im Weitsprung. Ich blickte nochmal kurz auf meine Spielkarte und dachte plötzlich erstaunt: Wow, dann bin ich ja wohl doch ein Sportler. Und ich dachte an die Bundesjugendspiele und daran, dass meine frühere Sportlehrerin, Rosi Gräfin von Westerholt, bestimmt mächtig stolz auf mich wäre.
Bis jetzt ist es aber mein größter Erfolg im Minigolf, dass sowohl die amtierende Weltmeisterin des Volkssports Nr. 1 als auch der Weltmeister aus Gelsenkirchen mein Foto in den sozialen Netzwerken schon mal feixend kommentiert haben. Das ist mir bei Weltmeister*innen in Fußball, Tennis, Formel 1 oder Basketball noch nicht passiert. Sie sind einfach irgendwie nett und sympathisch, diese Minigolfer*innen.
Ich weiß ja nicht, was Sie als erstes nach Corona machen, ich jedenfalls brenne darauf, Minigolf zu spielen, und ich bin fest davon überzeugt, dass mit meinem neuen Wissen nun noch richtig was geht. Bis zur WM in Wanne-Eickel ist ja noch Zeit…

Der Autor am Abschlag.

Minigolf in GE:
Löwenpark – Westerholter Str. 135, 45894 GE-Buer
Nienhauser Busch – Feldmarkstraße 201, 45883 GE-Feldmark
Bulmker Park – Florastraße 175, 45888 GE-Bulmke-Hüllen
Alma Park – Almastraße 39, 45886 GE-Ückendorf

Verbände:
Deutscher Minigolfsport Verband (DMV): www.minigolfsport.de
World Minigolf Sport Federation (WMF): www.minigolfsport.com

Taschen von der Weltmeisterin:
www.bags4cracks.com

 

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