PREMIERENFIEBER in Rotthausen

Im Gespräch mit Ulrich Penquitt, dem Regisseur der dritten Gelsenkirchener Passionsspiele

Ein Interview von Alexander Welp

Die heiße Phase der Probenzeit ist eingeläutet! In authentischen Kostümen bereiten sich die 30 Darstellerinnen auf die Durchlaufproben vor. Kostümschneiderin Angela Heid-Schilling hilft den Schauspielerinnen beim Anziehen und nimmt leichte Korrekturen vor, Komponist und Bühnentechniker Danny Tristan Bombosch feilt an der idealen Beleuchtung des Innenraums, und auch die Kulisse, ein Bühnenbild in Form eines Tempels, steht bereit. Über allem wacht das Auge des Masterminds hinter dieser Produktion. Energiegeladen gibt Regisseur Ulrich Penquitt letzte Instruktionen an das Ensemble, bevor er die magischen Worte „und Licht!“ ruft und somit die Probe eröffnet.
Im vierten und letzten Teil der Artikelreihe über die Passion 2020 spricht Ulrich Penquitt mit der isso. über seine Arbeit als Regisseur, seinen Bezug zur Religion und warum es so spannend ist, die Vorstellung von Jesus Christus im Rahmen des Theater-Mediums zu betrachten.

Fangen wir ganz vorne an: Wie kam es dazu, dass Du die Leitung bei diesem Projekt übernommen hast?

Ulrich Penquitt: 2018 wurde ich von Jesse Krauß, der ja auch bei den beiden ersten Passionsspielen in Gelsenkirchen dabei war, angesprochen, ob es nicht möglich wäre, dieses Stück ein weiteres Mal auf die Bühne zu bringen. Die Verbindung zur Thematik hatte ich ja auch vorher schon. Bei der ersten Version sprang ich damals als Schauspieler für einen Kollegen ein, und auch mit Elmar Rasch (Regisseur der ersten beiden Passionsspiele in Gelsenkirchen; Anm. d. Red.) hatte ich immer einen regen Austausch. Nachdem ich dann mit Rolf Neuhaus, dem ehemaligen Pfarrer der Kirche, und Wolf-Rainer Borkowski, unserem Autor, sprach, hat sich das alles dann auch relativ schnell entwickelt. Ich musste auch nicht lange überlegen, ob ich bei diesem Projekt die Regie übernehmen möchte. Ich hatte von Anfang an das Feedback, dass ich als Leiter auch absolut gewollt bin.

Die letzte Passion fand 2015 statt. Glaubst Du, dass Gelsenkirchen nach fünf Jahren für eine Neuauflage bereit ist?

Ich glaube schon! Alle zwei Jahre wäre es schon sehr ambitioniert gewesen. Das hängt auch damit zusammen, wie sehr diese religiöse Frage in unserer Stadt „gelebt“ wird. Im Vergleich ist unsere Stadt da ja kein Vorreiter. Bei der zweiten Passion in Rotthausen waren die Vorstellungen zwar noch ganz gut besucht, aber nicht mehr ganz so stark wie bei der ersten Version. Das lag aber damals auch daran, dass kaum überregionale Werbung gemacht wurde. Aber jetzt habe ich schon das Gefühl, dass das Interesse wieder da ist. Sei es von Seiten der Presse oder der Förderer.

Gab es in Deiner Theaterkarriere schon einmal Produktionen, die einen religiösen Bezug hatten?

Tatsächlich haben wir mit dem Trias Theater in den 1990ern ein Stück über Hildegard von Bingen gemacht (Benediktinerin, Komponistin, Dichterin und Universalgelehrte der römisch-katholischen Kirche im 12. Jahrhundert; Anm. d. Red.). Vor ein paar Jahren wollte ich auch die Weihnachtsgeschichte mit einer Chorbegleitung auf die Bühne bringen. Das fiel damals leider ins Wasser, weil es mit der finanziellen Förderung nicht geklappt hat. Nichtsdestotrotz ist das Stück noch in Planung, und in Zukunft würde ich das immer noch gerne machen! Durch die Passion bin ich jetzt ja auch wieder sehr im Thema und beschäftige mich viel mit Jesus Christus.

Ein guter Übergang! Welchen Bezug hast Du denn privat zur Religion?

Wenn ich zurückdenke, dann habe ich das Gefühl, dass ich als junger Mann sehr mit Jesus Christus verbunden war. Über meine politische Arbeit hatte ich das dann für einige Zeit verloren. Wir haben damals viel Straßentheater gemacht, Anti-AKW-Stücke und politische Lieder gespielt. Obwohl ich nur sechs Griffe auf der Gitarre konnte, ging das auch einigermaßen gut (lacht). Von meiner damaligen Gruppe bekam ich dann auch immer das Feedback: ‚Du hast da echt Talent. Du müsstest auf die Bühne!’. So bin ich dann auch zum professionellen Theater gekommen. Da kriegen wir jetzt auch den religiösen Bezug wieder, denn ich hatte da wohl eine Art Schutzengel. Es gab nämlich eine Zeitungsannonce nach dem Motto: ‚Jugendlich wirkender Schauspieler gesucht!’ Ich hatte kein Vorsprechprogramm oder etwas ähnliches, aber wurde prompt genommen.
Wenn ich mein Leben jetzt Revue passieren lasse, dann fühle ich mich schon begleitet. Ich glaube, es gibt mehr als ich sehen, schmecken oder riechen kann. Eine Art geistige Welt, wenn man so will. Mit den Jahren ist mir auch immer mehr bewusst geworden, dass diese geistige Welt viel präsenter ist, als die materielle Welt.

Woran machst Du das fest?

Manchmal auch an meiner Arbeit. Wenn ich die Idee für ein Stück habe, dann sind doch zuerst die Gedanken da, ein geistiger Vorgang. Erst danach kommt die physische Umsetzung. Was die Person Jesus Christus betrifft: Ich bin überzeugt davon, dass während der Jordantaufe der Christus in Jesus von Nazareth eingezogen ist, und dass dieses geistige Wesen dann für ein paar Jahre auf der Erde gelebt hat. Das sind auch Überlegungen, die ich gerne mit in die aktuelle Inszenierung mit hineinnehmen möchte – eine Spur Mystik. Das ist ja auch das Tolle am Theater. Wenn du dir da das frühe griechische Theater anschaust – das waren ja auch eher Mysterienspiele. Ich möchte auch die geistige Ebene des Zuschauers ansprechen.

Kommen wir mal zur aktuellen Produktion. Rund 30 Darsteller*innen werden auf der Bühne zu sehen sein – das ist ja eine Herausforderung! Wie würdest Du deine Regiearbeit beschreiben?

Über das Schreiben und Lesen der Vorlage habe ich immer zuerst eine Idee im Kopf. Allerdings bin ich am Anfang noch nicht so klar fokussiert, wohin eine einzelne Szene gehen soll. Ich warte zunächst ab, was mir durch das Spiel angeboten wird. Dadurch ergeben sich dann Impulse, die ich aufnehmen kann. Es gibt also kein steifes Bild, das unbedingt umgesetzt werden muss. Das ist eher ein dynamischer Prozess. Natürlich habe ich auch eine Vorstellung davon, wie der Charakter des Jesus auf der Bühne erscheinen soll, aber wenn Julian als Hauptdarsteller dann auch noch eigene Ideen mit einbringt – das ist doch fantastisch! Am Ende ist es dann natürlich trotzdem so, dass ich in der Funktion als Regisseur Entscheidungen treffen muss, das ist klar.

Für Julian Wangemann ist es die erste Hauptrolle im Theater. Wie macht er sich?

Ich finde es ganz toll, dass er diese Herausforderung von Anfang an angenommen hat, und direkt ‚Ja!’ sagte, als ich ihm diese Rolle anbot. Er bringt sich da unheimlich toll ein, ist immer gut vorbereitet und sehr motiviert. Natürlich muss an manchen Details noch gefeilt werden, denn die Rolle des Jesus ist sehr anspruchsvoll und durchläuft ja auch eine Entwicklung.

Neben der eigentlichen Handlung gibt es ja auch noch Themen, die auf einer Meta-Ebene angesprochen werden. Welche aktuellen Bezüge gibt es bei der Passion 2020?

Die Flüchtlingskrise wird natürlich irgendwo thematisiert. Das war auch auch für Wolf-Rainer, unseren Autor, sehr wichtig. Die letzte Inszenierung ist ja mittlerweile fünf Jahre her. Da gab es noch keine Flüchtlingskrise und keinen Rechtspopulismus in dieser extremen Form. Auf der Bühne reagieren wir jetzt darauf. Zum Teil wird der Umgang von Jesus mit Flüchtlingen und Fremden skizziert.

Die Grundgeschichte und das Ende der Passionsspiele ist ja allen Zuschauern bekannt. Wieso ist diese Inszenierung für das Publikum trotzdem so interessant?

Die Geschichte ist zwar allen vertraut. Die klassischen Bilder – ‚Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein’ – sind zwar bekannt, aber das sind natürlich nur Sachen, die man im Kopf hat und weiß, dass das irgendwo in der Bibel steht. Das Spannende für den Zuschauer ist, dass man diese Bilder jetzt auf der Bühne sehen kann, und das auch noch durch die Sichtweise von jemand anderem. Man hat also die Möglichkeit zu vergleichen: Wie verhält sich dieser Jesus auf der Bühne im Vergleich zu meiner eigenen, persönlichen Vorstellung von Christus? Das alles dann auch noch in einem anderen Medium, also live zu erleben, macht das Ganze natürlich sehr sehenswert.

 

Aufführungen:

Premiere:
Samstag, 07. März 2020
20 Uhr, Einlass: 19:30 Uhr

Spielort: Ev. Kirche Rotthausen
Steeler Straße 48, 45884 Gelsenkirchen

Weitere Vorstellungen:
13./14./20./21./27./28. März 2020
sowie 03. und 04. April 2020
jeweils 20 Uhr

Dernière: 12. April 2020, 18 Uhr

VVK: 12 €, AK und online: 14,70 €
(bis 12 Jahre frei, nur Abendkasse)

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