Lehrermangel und gestiegene Aufgaben zersetzen den Bildungsauftrag
„Familie und das ganze Gedöns“ Dieser zugegebenermaßen flapsig-humorige Spruch des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder über das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist ein Vierteljahrhundert alt. Doch viel geändert hat sich auch in der Zwischenzeit nicht. In sämtlichen Regierungen seither wurde kaum ein Politikfeld so stiefkindlich behandelt wie eben jenes Gedöns, genauer: die Kinder und Jugendlichen Deutschlands. Besonders hart treffen die Umstände Kommunen wie Gelsenkirchen, die wegen ihrer soziokulturellen Entwicklung kein Traumziel für Berufseinsteiger sind.
Das Problem ist inzwischen altbekannt. Doch mittlerweile kommt es täglich sichtbar in den Familien an. Unterrichtsausfall, Tage, an denen kein einziger regulärer Unterricht stattfindet, Kinder von einem Vertretungsunterricht zum nächsten gereicht werden. Im besten Fall bekommen sie dann Fachunterricht, in vielen Fällen steht dann schlicht Bildermalen auf dem Programm. Dass Eltern im Jahr 2020 über Monate hinweg während der coronamaßnahmenbedingten Schulschließungen den Spagat zwischen regulärem Job und der schulischen Rundumbetreuung inklusive korrespondierender IT-Kompetenzsteigerung geleistet haben, hat sich als Bärendienst erwiesen. Nicht nur offenbaren immer mehr Studien die katastrophalen Auswirkungen dieser Zeit für Kinder in Sachen Bildungs- und Sozialkompetenzerwerb, vielmehr scheint man sich in der Politik sehr auf die Elternhäuser zu verlassen. Wo kein Widerstand kommt, kann man den Bogen fester spannen. Doch der staatliche Bildungsauftrag ist leider nicht im Fokus von Politik, Medien und Öffentlichkeit. Diese Plätze werden belegt durch andere Themen, die offenbar wichtiger scheinen. Die Bildung der kommenden Generationen gehört nicht dazu.
MANGELWIRTSCHAFT SCHULE
Es ist kein neues Problem. In NRW fehlen Lehrerinnen und Lehrer, 8.000 sind es derzeit. Die SPD spricht von einer „Bildungskatastrophe“, doch das Thema wird seit vielen Jahren von Landesregierung zu Landeregierung weitergereicht. Auch unter der langjährigen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft verschärfte sich die Lehrersituation zusehends. Ein Ende der Mangellage ist nicht in Sicht, vielmehr wollen immer weniger junge Menschen ein Lehramtsstudium antreten. In Nordrhein-Westfalen haben nach Angaben des statistischen Landesamtes im Jahr 2020 etwa 14 Prozent weniger Studierende ein Lehramtsstudium abgeschlossen als zehn Jahre zuvor. In reinen Zahlen sind das 6.794 Köpfe, die angesichts der immer größer werdenden Versorgungslücke kaum ins Gewicht fallen. Wie überall auf dem Arbeitsmarkt sind auch in Schulen die jungen Lehrerinnen und Lehrer heiß umkämpft, und sie können sich meist – Angebot und Nachfrage – ihre Arbeitsorte aussuchen.
Gelsenkirchen gilt unter den Lehrern als einer der unattraktivsten Arbeitsorte schlechthin, was sich an den mageren Bewerbungszahlen an hiesigen Schulen widerspiegelt. In Gelsenkirchen fehlen durchschnittlich vier Lehrkräfte an jeder Schule.
„Es gibt Bewerbungsphasen, in denen wir keinen einzigen Bewerber haben“, erzählt Achim Elvert, Schulleiter der Gesamtschule Ückendorf (GSÜ), die als eine der Schulen gilt, die besondere Herausforderungen zu tragen hat. Rund 1.200 Schüler, die durch 100 Lehrer unterrichtet werden. „Besondere Herausforderungen“, einer der Euphemismen, die sich in der Fachwelt und der öffentlichen Kommunikation weitgehend durchgesetzt haben, hinter denen Realitäten stehen, denen sich Lehrerinnen und Lehrer jeden Tag stellen müssen. Internationale Förderklassen, also Schulklassen, in denen sich neu nach Deutschland gekommene Kinder wiederfinden, die erst die Sprache erlernen müssen, bevor an reguläre Schulbildung zu denken ist. Inklusion an Regelschulen, die aufgrund von fehlenden unterstützenden Fachkräften von Lehrern „mitgemacht“ werden muss. Steigende Schülerzahlen, große Klassen, hoher Migrationsanteil, Hartz-IV-Bezug und ein verschobener Respektbegriff erschweren pädagogische Arbeit immer mehr. Gerade Grund- und Förderschulen haben schon seit Jahren mit massivem Lehrermangel zu kämpfen, den die Länder nur notdürftig mit Quereinsteigern und reaktivierten Pensionären kompensieren können. Gute Chancen, die Lehrerstellen zu besetzen, haben nach wie vor Gymnasien. Doch man schöpft nicht aus dem Vollen, die Frage nach Befähigung oder gar Bestenauslese steht hier nicht zur Debatte. Letztlich gilt: Jede besetzte Stelle verschafft Abhilfe in der Mangelwirtschaft Schule.
Dass sich das Problem in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht nur verstetigen, sondern verschärfen wird, hat unlängst der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm mit eigenen Zahlen untermauert. Im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Bildung hat er sich die Prognosen zum Lehrermarkt bis 2030 der Kultusministerkonferenz (KMK) angesehen und kommt zu dem Ergebnis, dass man sich –wohlwollend gesagt – verrechnet habe. So gehe die KMK optimistisch davon aus, dass zum einen mehr frischgebackene Lehrer als bisher die Unis verlassen (ca. 32.000 pro Jahr). Hinzu komme der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, die bis 2029 allen Grundschülern garantiert werden soll. Diese Mehrstunden, sollten sie nicht nur reine Betreuungs-, sondern auch Bildungszeit sein, müssen von ausgebildeten Lehrern aufgebracht werden. Anspruch und Wirklichkeit vertragen sich hier ebenso wenig wie Legislaturperiode und seriöse Planung.
Die NRW-Schulministerin Dorothee Feller stellte aufgrund der sich immer weiter verschärfenden Situation im Dezember ein Maßnahmenpaket vor, mit dem kurz- und langfristig reagiert werden soll. So sollen Grundschulen für Seiteneinsteiger geöffnet werden, die nach einer berufsbegleitenden 24-monatigen Ausbildung die Staatsprüfung zum Lehramt erhalten. Unter anderem dürfen weniger Klassenarbeiten geschrieben werden und an Schulen „in herausfordernden Lagen“ sogenannte Alltagshelfer als Unterstützung für Lehrkräfte eingestellt werden. Anträge auf eine Arbeitszeitverkürzung von Voll- auf Teilzeit sollen genauer geprüft werden, sprich: Es ist künftig nicht mehr gern gesehen, seine Stunden zu reduzieren. Die Abordnungen von Lehrern an weiter gelegene Schulen sollen von einem halben auf ein ganzes Jahr verlängert werden. Grund für diese Änderung ist die Bindungsstärkung von Grundschülern mit ihren Lehrern. In den Universitäten sollen die Studienplätze erweitert werden, und Lehramtsanwärter sollen mehr ins operative Geschäft eingebunden werden. Des Weiteren will man das Bewerberfeld öffnen und weitere pädagogische Fachkräfte in multiprofessionellen Teams bei Lernen, Erziehung, Unterricht und Beratung zusammenarbeiten lassen.
Weitere Konzeptpunkte fokussieren die Besoldung, Imagekampagnen oder dienstrechtliche Maßnahmen wie die Zumutbarkeit der Entfernung vom Arbeitsplatz, die auf 50 Kilometer gestiegen ist. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Gelsenkirchen sieht in diesem Aufschlag des Bildungsministeriums einen guten ersten Anfang, der viele Ideen der Gelsenkirchener aufgegriffen habe. Doch gerade in der Frage der Listenverfahren wünscht sich Lothar Jacksteit, Sprecher der hiesigen Gewerkschaft, mehr Regulation. Das Listenverfahren sieht vor, dass Absolventen bis zu zwölf Ortswünsche nennen können, an denen sie künftig arbeiten wollen.
„Würde man diese Liste stark eingrenzen und nur noch auf schwer zu besetzende Gebiete wie beispielsweise Gelsenkirchen, Wuppertal oder Duisburg einschränken, sind wir sicher, dass relativ schmerzfrei junge Menschen für diese Regionen gewonnen werden können. Die jungen Lehrer und Lehrerinnen haben bislang ihren Arbeitsmittelpunkt noch nicht festgelegt. Sie haben zwar einen Lebensmittelpunkt, aber dieser lässt sich als Anfänger noch leichter verändern, als wenn sie schon zehn Jahre oder 20 Jahre an einer bestimmten Schule gearbeitet haben und diese nun per Zwangsabordnung verlassen müssen“, so Jacksteit.
Man habe im Ministerium den Kollegen und den Gewerkschaften gut zugehört, attestiert die GEW Dorothee Feller und sieht Potential in dem Maßnahmenpaket.
Jetzt und sofort hilft dieses Konzept natürlich nicht. „Uns fehlen derzeit elf Lehrkräfte“, erklärt Achim Elvert die Ist-Situation an seiner Schule. Man streiche vereinzelt an Nebenfächern wie Sport oder Biologie, um der Situation Herr zu werden, an die Kernfächer Mathe, Deutsch und Englisch gehe man nicht. „Leider können wir in einigen Bereichen nicht die angedachte pädagogische Qualität einhalten. Hier meine ich zum Beispiel, dass in manchen Stunden zwei Lehrkräfte die Schüler unterrichten sollen, was auf die Inklusionssituation abzielte. Hier muss der zweite Lehrer dann in einer anderen Klasse den Unterricht übernehmen.“
Achim Elvert berichtet unaufgeregt, für ihn ist die Situation keine neue. Im Vergleich der weiterführenden Schulen in Gelsenkirchen hatte es die Gesamtschule Ückendorf schon immer schwer. Ein schlechter Ruf, trotz guter Arbeit, wurde schon in einem 2008 erschienenen WAZ-Artikel des damaligen Redakteurs Michael Muscheid attestiert. Dass kaum noch deutsche Eltern ihre Kinder dort anmelden und die Schulhofsprache in erster Linie türkisch sei, mokierten viele Kommentatoren unter dem Bericht. Heute, 14 Jahre später, werden noch ein paar weitere Sprachen hinzugekommen sein, was es für die Anwerbung neuer Lehrkräfte nicht leichter macht. Elvert ist nicht nur in Gelsenkirchen mit Schulleitern und -leiterinnen in Kontakt, sondern engagiert sich darüber hinaus in der Verbandsarbeit. So ist er stellvertretender Landesvorsitzender der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule und Sprecher der Schulleitervereinigung der Gesamtschulen in NRW. „Beide Verbände vertreten auch die anderen integrierten Schulformen wie Sekundarschulen, Primusschulen und Verbundschulen“, erläutert Elvert. Und alle haben mit denselben Problemen zu kämpfen, je nach Region und Lage mal mehr, mal weniger.
Dass das Land NRW sehenden Auges in diese Mangellage geschlittert ist, lässt sich vor allem daran ablesen, dass das Ministerium zwischen 2008 und 2018 keine Lehrerbedarfsprognosen mehr angestellt hat. Genau in dieser Zeit habe aber ein Bruch stattgefunden, so Lothar Jacksteit:
„Im Jahr 2014 kamen mit der Freizügigkeit im Rahmen der EU-Ost-Erweiterung viele Menschen, 2015 ging es weiter mit den Flüchtlingen. Merkel hat zwar gesagt `Wir schaffen das`, aber es ist versäumt worden, die nötigen Rahmenbedingungen zu setzen. Hier haben die Verantwortlichen schlicht geschlafen.“
Er geht der Frage nach, weshalb der Lehramtsberuf immer unattraktiver geworden ist, weshalb sich immer weniger Abiturienten für ein Lehramtsstudium entscheiden. Die hohe Arbeitsbelastung, die schier unbeherrschbare Flut an Zusatzaufgaben schrecke junge Menschen ab, so Jacksteit.
„Wir befinden uns quasi in einem Teufelskreis, denn egal, welche Maßnahmen akut getroffen werden, sie überzeugen die jetzige Abschlussgeneration nicht.“ Das System sei an die Wand gefahren.
Zumindest für die Grundschullehrer sieht das Konzeptpapier eine Anreizsteigerung vor. Die Grundschulen sind am stärksten von der Mangellage betroffen, Seiteneinsteiger zur Erleichterung der Situation kommen hier kaum zum Einsatz, da die pädagogischen und didaktischen Anforderungen sehr hoch sind. Nun will Dorothee Feller zumindest an der finanziellen Schraube drehen und Lehrerinnen und Lehrer der Primarstufe schrittweise bis 2026 in die Besoldungsstufe A 13 heben. Das sind mindestens 4.300 € brutto im Monat.
Doch der finanzielle Anreiz ist nur ein kleiner Teil der Überzeugungsstrategie. Wer in den Lehrerberuf geht, der tut das sicher nicht aus monetären Gründen. Die berufliche Sicherheit des Staatsdienstes trägt sicher dazu bei, doch ist Lehrersein vor allem ein idealistischer Beruf. Die Arbeit mit jungen Menschen, der große Einfluss auf Bildungsbiografien, die Vorbildfunktion und das Bewusstsein, dass Schule ein großer Teil der Kindheit und Jugend ist, den man als Lehrerin und Lehrer maßgeblich mitbestimmt, sollte die Hauptmotivation sein.
Dass sein GSÜ-Kollegium seit Jahren verhältnismäßig stabil ist, schreibt Elvert der guten pädagogischen Arbeit der Lehrer zu. Sie schätzten die kollegiale Zusammenarbeit und die wichtige Aufgabe mit den Schülerinnen und Schülern. Überzeugungstäter. Doch die Arbeit ist immer eine am Limit. Umso mehr stößt er sich am Vorhaben des Ministeriums, was die individuelle Arbeitszeitentscheidung von Lehrerinnen und Lehrern betrifft: die „anlasslose Teilzeit“.
„Niemand geht ohne Grund in die Teilzeit. Die Betreuung der Kinder oder die der eigenen Eltern darf nicht als einziger Grund gelten. Es ist sehr verantwortungsvoll, wenn ein Lehrer merkt, dass es zu viel wird und dann bewusster kürzertritt. Ansonsten würde er ganz gehen. Damit wäre nichts gewonnen“, so Achim Elvert.
SCHULE IM FREIEN FALL
Wie sehr sich Politik und Realitäten entkoppelt haben, kann man an den vielen Versprechungen ablesen, die in den letzten Jahren in Rechtsansprüche für alles Mögliche gegossen wurden. Man kann durchaus Populismus attestieren, wenn Eltern gesetzlich individuelle Förderung, Inklusion oder Ganztagsschule garantiert wird, doch niemand die Umsetzung einpreist.
„Man hat nicht bedacht, was es für diese Rechtsansprüche braucht. Für den Offenen Ganztag, der 2026 umgesetzt sein soll, müssten wir jetzt schon die Erzieherinnen und Erzieher ausbilden, um dann das Personal zu haben. Und jetzt erst wird gemerkt, dass uns heute schon diese Berufsgruppe in den Kitas fehlt. Wie wollen wir dann denn Rechtsanspruch 2026 realisieren? Und wir sprechen noch nicht einmal über Räumlichkeiten, die schon derzeit im Anschlag sind, weil wir so viele Kinder zu betreuen haben“, erklärt Lothar Jacksteit. Für ihn sieht es in Sachen Schulzukunft düster aus, und letztlich bringt er die ganze Misere mit einer Forderung auf den Punkt, die an deprimierendem Realismus kaum zu überbieten ist:
„Wir tun gut daran, uns darauf zu konzentrieren, dass die Kinder lesen, rechnen und schreiben lernen, um überhaupt einen Beruf erlernen oder ein Studium beginnen zu können. Wir dürfen uns da nichts vormachen. Wir sind im freien Fall. Und da sind Bund, Länder und Kommunen in der Verantwortung, jetzt eine wirksame Bildungsoffensive mit angemessener Finanzierung auf den Weg zu bringen.“
Ob dieser Wunsch in Berlin erhört wird, bleibt fraglich. Obschon ein Sondervermögen „Schule“ ein wirklicher „Wumms“ wäre.
ZUM THEMA: Interview mit einem Lehrer aus Herne zur exemplarischen Situation an seiner Schule.
Es müssen endlich einmal Konsequenzen her , sowohl für Schüler als auch für Eltern.
Wer Kindergeld in Deutschland kassiert muss auch seinen Kindern RESPEKT, PÜNKTLICHKEIT UND LEISTUNGSWILLEN beibringen.
Wer das als Eltern nicht bringt dem muss das Kindergeld gekürzt werden.
Nur….dafür sind unsere Politiker zu feige.
„In NRW fehlen Lehrerinnen und Lehrer, 8.000 sind es derzeit.“ Die Zahl 8000 wird in der Realität deutlich höher sein, denn schon seit mehreren Jahren werden Lücken beim Personal durch Studenten, „Hilfslehrkräfte“ und weitere nicht ausgebildete Vertretungslehrer kompensiert. An den Grundschulen gibt es inzwischen Lehrerzimmer, in denen nur noch die Hälfte das Grundschullehramt studiert hat. Offenbar ist man der Meinung, der Lehrerberuf sei auch ohne Ausbildung locker ausübbar.
Nur: Wer würde sich schon gern von einem, sagen wir mal, Landschaftsgärtner mit Freude am Medizinischen kardiologisch beraten lassen?
Lothar Jackscheit hat die Probleme recht gut beschrieben. In GE und einigen Nachbargemeinden des Ruhrgebietes zeigen sich die massiven wirtschaftlichen Probleme nicht bloß durch fehlende Steuereinnahmen oder erhöhte Transferleistungen, sondern eben auch in den Schulen. Durch die EU-Freizügigkeitsregel und den Syrien-Krieg ist die Gesamtzahl der Schüler angestiegen. Sah der Schulentwicklungsplan vieler Ruhrgebietsstädte vor dem großen Bruch 2014/2015 noch Schulschließungen vor (u.a. Schalker Gymnasium, aber auch Gesamtschule Ückendorf), so werden aktuell neue Schulen gebaut und Container auf Schulhöfe gestellt.
Am 1. Januar 2007 wurden Rumänien und Bulgarien EU-Mitglieder. Sieben Jahre später folgte die Einführung der vollen EU-Freizügigkeit für Menschen aus beiden Ländern. Für Städte wie Gelsenkirchen, Duisburg, Dortmund, Herne, Essen und Bochum-Wattenscheid bedeutet dies vor allem Menschen aus den bitterarmen Roma-Gebieten, die in der Regel in ihren Heimatregionen arbeitslos sind und vielfach in ghettoartigen Siedlungen, ohne funktionierende Müllabfuhr oder Wasserversorgung, leben müssen. Da ist die Schrottimmobilie in GE bereits ein sozialer Aufstieg. GE bleibt aufgrund billigen Wohnraums für Armutsflüchtlinge überaus attraktiv.
Dass es seit Jahren ein offenbar einträgliches Geschäft ist, Menschen aus den Roma-Gebieten, etwa aus Barbulesti, nordöstlich von Bukarest gelegen oder aus Plowdiw in Bulgarien, ins Ruhrgebiet zu bringen, ist weder neu noch gibt es funktionierende Mittel dagegen. Schon vor rund zehn Jahren berichtete das Duisburger Integrationsamt von „festgestellter Zwangs- und vermuteter Kinderprostitution“. Ein Großteil der Migranten bringt nicht die Voraussetzungen mit, um auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können. Kaum jemand hat eine abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung, viele hingegen sind Analphabeten. Auch deshalb wird der Schwarzmarkt und „Arbeiterstrich“ von ihnen genutzt. Die mitgebrachten Kinder haben selten eine Schule besucht. Die kognitive Entwicklung ist vielfach gestört. Schulabsentismus ist die Norm, auch weil die Familie regelmäßig zurück in die Heimat reist oder ohne den Behörden Bescheid zu geben, unbekannt verzieht. Schulen, vor allem in Schalke-Nord, Bismarck, Rotthausen und Ückendorf müssen seit Jahren einen enormen Aufwand betreiben, um die Schulpflicht zu überwachen. Mögliche Bußgelder werden in aller Regel nicht bezahlt, weil die Familien unbekannt verzogen sind. Sind die Kinder längere Zeit in den Klassen, so erhalten sie eine sprachliche Förderung. Dafür wird jedoch eine zusätzliche Lehrkraft benötigt, die aufgrund des allseits bekannten Personalmangels, an anderer Stelle fehlt. Ein Teufelskreis.
Dass man mich nicht missversteht: Die Armutszuwanderung ist nur ein Teil des schulischen Problems! Ja, das System ist an die Wand gefahren. Zumindest hier und das mit voller Ansage! Angesichts der Umstände kann man niemandem klaren Verstandes zumuten, in GE oder einem der wenigen ähnlichen Viertel als Lehrkraft zu arbeiten. Leichter ist es da ohne Zweifel die Stelle in Münster, Düsseldorf oder dem Essener Süden anzutreten.