Ein Erlebnisbericht und eine Liebeserklärung an den 21. Mai 2022
mit liebem Dank für die Fotos an Sandra Borbe, Barbara Christ, Adrianna Gorczyk, Hier ist nicht da, Tom Corner und Jesse Krauß
Wir befinden uns in #401GE. In Ückendorf. Verrufen, totgesagt, dreckig, angeranzt und abgerockt.
Der 21. Mai hat einen ersten Eindruck hinterlassen, was für eine Energie und wie viel Potenzial in diesem Stadtteil tatsächlich steckt. Unter dem Motto „Frühlingserwachen“ entfesselte das Quartier ab 11 Uhr seine Magie. Auf Stadtspaziergängen wurden Interessierte um und über die Bochumer Straße von Einheimischen in die aktuellen Entwicklungen eingeweiht. Von überall war ein großes Hallo zu hören mit strahlenden Gesichtern, Umarmungen, Wiedersehensfreude.
Drei brandneue Läden stellten sich vor: Djammeh Juices kredenzte erfrischende Getränke in kunterbunter Atmosphäre, das Café Ütelier im gerade fertig renovierten Haus Reichstein wurde von einem unablässigen Strom neugieriger Besucher frequentiert, und bei Die Julia gab es leckeres Chili und Backkartoffeln, um sich für den weiteren Tag zu stärken.
Kirche im Dorf
Mittelpunkt des Geschehens war sicherlich die Heilig-Kreuz-Kirche, die den ganzen Tag zu Music-Acts mit beeindruckender Lichtershow unter der imposanten Kuppel des Kirchenschiffs einlud. St. Barbara Gospel, Mario Stork & Band, Record of Tides, Val’n’Tin, Metromara, Julian Rybarski Large Band und Anke Sieloff gaben sich die Klinke in die Hand und begeisterten das stetig wechselnde Publikum.
Natürlich mischten die fast schon alteingesessenen Locations ebenfalls ordentlich mit. Im 1Null7 wurde man nicht nur fündig, wenn es um upgecycelte Skateboards in allen Variationen von Formwechsel ging. Auch Caps, T-Shirts und kunstvoll Verziertes von TanjArt säumten die Regale. Auf der Mini-Ramp im kultigen Hinterhof tricksten die Skater, oder man gönnte sich eine Verschnaufpause mit Schokokuss-Brötchen.
Die Ausstellungsflächen rund um die Ateliers von Gordana Djukic und des Kurz-Kollektivs wurden durch die Bespielung leerer Ladenlokale mit bunten Leinwänden ergänzt. Und auch bei Tom’s Corner gab es farbenfrohe Vintage- und Retroschätzchen zu entdecken.
Abstecher zur Brotfabrik
Wer noch nicht genug von Kunst, Möbeln und Mode hatte, konnte an diesem Tag noch eine Exkursion zum alten Gewerbehof in Ückendorf machen. Direkt gegenüber von Motorrad Oeler führt ein schmaler Durchgang in eine fast schon verwunschene Welt. Neben dem Kunstatelier von Roman Pilgrim zog im März das Modelabel fisch&apfelmus in neue Räumlichkeiten. Nadine und Hendrik haben sich eine nachhaltige Produktion mit viel Liebe zum Detail auf die Fahne geschrieben (siehe auch isso. #79, Mai 2022). In familiärer Atmosphäre wurden zahlreiche Gäste zur Eröffnung mit Live-Musik und Feuer-Perfomance begrüßt. Die gefüllten Kleiderständer luden zum Stöbern und Shoppen ein, und mit dem „Prozente-Popper“ wurde das Einkaufserlebnis zum spannenden Spiel.
Singen, was das Zeug hält
Zurück im Brennpunkt des Geschehens an der Bochumer Straße wartete die Trinkhalle am Flöz mit dem Format „Singende Trinkhalle“ auf. Gerade Typen – Schräge Töne wurden tatkräftig von einer unfassbar großen mitsingenden Meute unterstützt.Die komplette Straße vor der beliebten Eck-Gastronomie war gesperrt und beherbergte den wohl größten, völlig beseelten Chor, den das Quartier je gesehen hatte. Nachdem „Laurentia mein“ verklungen war, setzte man zum „Steigerlied“ an; und man kann es sich vorstellen, wie hier aus voller Kehle mitgeschmettert wurde – konnte doch fast jeder diesen Text auswendig.
Beats & Bratwurst
Gegenüber im Hier ist nicht da wurde schon am frühen Nachmittag getanzt. Im chilligen Backyard erklangen Technobeats von Partykumpel, der Grill lief, und kühle Getränke brachten die notwendige Erfrischung. Der Tag wurde durch die musizierende MädchenMusikAkademie, Yoga-Praxis mit Katrin Dannowski und Kinderschminken bei Tausche Bildung begleitet, und jede*r konnte sich zu diesen Projekten mit den Ansprechpartnern direkt vor Ort austauschen.
Tanzen, als ob es kein Morgen gibt
Je dunkler es wurde, desto voller. Teilte man in der Trinkhalle und auf der Straße einhellig und begeistert Eindrücke, tanzten sich drinnen die Party People warm. Natalie Pielok und Neeyuu trafen mit ihrem Experimental Pop und Melodic Hard Drums genau den Nerv der verzückten Masse. Ein Gefühl von Befreiung und Glück lag in der Luft.
Was bleibt zu sagen?
Für alle, die es hören wollen: In Gelsenkirchen geht was! Gemeinsam. Miteinander. Und bestimmt auch nachhaltig. Ückendorf ist nicht Berlin. Und muss es auch gar nicht sein. Wir haben in der Metropole Ruhr unfassbar viele Möglichkeiten, in wenigen Minuten in einer anderen Stadt weitere reichhaltige Angebote wahrzunehmen.
Und Gelsenkirchen ist mit dabei. Muss man nur wissen. Muss man nur wollen.
Und, ja, ich will. Ihr auch?